Tanz der Vampire Das Musical

Basierend auf dem film
“The Fearless Vampire Killers”
von
Roman Polanski

Buch und Liedertexte von Michael Kunze
Musik von Jim Steinman

Revised Draft
(2009)

Cast

Graf Von Krolock
Fürst der Vampire
Sarah
Chagals Tochter
Professor Abronsius
Ein Wissenschaftler
Alfred
Sein Assistent
Chagal
Der Wirt
Rebecca
Seine Frau
Magda
Chagals Magd
Herbert
Krolocks Sohn
Koukol
Krolocks buckliger Diener

&
ENSEMBLE:
Holzfäller, Bauern und Dorfbewohner
Die Almen des Grafen
Ausgeburten der Nacht
Vampire

Inhalt und Musiknummern

1. AKT

2. AKT

Cast

Graf Von Krolock
Fürst der Vampire
Sarah
Chagals Tochter
Professor Abronsius
Ein Wissenschaftler
Alfred
Sein Assistent
Chagal
Der Wirt
Rebecca
Seine Frau
Magda
Chagals Magd
Herbert
Krolocks Sohn
Koukol
Krolocks buckliger Diener

&
ENSEMBLE:
Holzfäller, Bauern und Dorfbewohner
Die Almen des Grafen
Ausgeburten der Nacht
Vampire

1. Akt

MUSIK: OUVERTÜRE

Szene 1: Wildnis

(Nacht. ALFRED, der junge Held unserer Geschichte, stapft beladen mit Koffern und Taschen durch den Schnee. Ratlos bleibt er stehen. Er ruft in das dunkel:)

MUSIK: PROLOG

Alfred Professor! Professor!

HE, HO, HE!
HE, WO SIND SIE, PROFESSOR?
HE, HO, HE!
WOHIN SOLL ICH GEH’N?

(Ein beruhigender Gedanke fällt ihm ein.)

Sicher hat er sich wieder irgendwo hingesetzt, um eine Beobachtung in sein Notizbuch zu schreiben. Wenn sich Professor Abronsius seine Notizen macht, dann ist die Welt für ihn gestorben…

(Ein anderer Gedanke erschreckt ihn.)

Wenn bloss er nicht gestorben ist.

(Ein weiterer Versuch…)

HE, HO, HE!
NUR EIN ZEICHEN, PROFESSOR.
HE, HO, HE!
ICH KANN SIE NICHT SEH’N!

Professor! Ich muss ihn finden, sonst erfriert er. Was für ein trauriges Ende das wäre für einen Mann wie ihn!

(Unsichtbare Wölfe stimmen ein langes Geheul an.)

In der Zeitung wird stehen: »Wissenschaftler im Transsilvanien umgekommen.« Und niemand wird von mir reden. Niemand wird Alfred vermissen.

(Das Geheul der Wölfe endet. ALFRED ruft wieder nach seinem Begleiter.)

HE, HO, HE!
HÖR’N SIE, ICH BIN’S, PROFESSOR.
IHR PATENTER
UND DEZENTER,
RESISTENTER
ASSISTENT!

(Er entdeckt die in einer Schneewehe ragenden Regenschirm von PROFESSOR ABRONSIUS und eilt darauf zu. Er entdeckt den zu Eis erstarren PROFESSOR.)

Professor!!

(Er schaltet ihn, nimmt das Gepäck auf und geht aus, während es dunkel wird.)

(Man hört aus der Ferne Fidel Musik und Gesang.)

Changal und Gäste KNOBLAUCH, KNOBLAUCH.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH.

(Verwandlung.)

Szene 2: Gaststube im Chagals Wirtshaus

(In einem Dorfgasthaus tanze GÄSTE zur Musik eines Geigenspielers. Der Tanz ist plump und hölzern wie die TÄNZER – Bewohner des transsylvanischen Nestes, in dem wir uns befinden. Schliesslich nehmen die GÄSTE an den Holztischen Platz, um zu trinken, zu essen und ihre Pfeifen zu schmauchen. Der Wirt CHAGAL geht von Tisch zu Tisch und überwacht die Arbeit seiner hübschen Magd MAGDA, die die GÄSTE bedient. Im hinteren Teil der Bühne sieht man CHAGALS Frau REBECCA in der Küche stehen und kochen.)

MUSIK: KNOBLAUCH

Chagal und Gäste EIN PFEIFCHEN UND EIN WODKA
UND EIN SCHÖNES FIEDEL-DUM-DEI.
DIE HÄLSE HEIL,
DIE WEIBER GEIL
UND DIE PLACKEREI VORBEI.

Baran DOCH DAS BESTE KOMMT AM ENDE,

Dragan WENN DER WIRT ZUM ESSEN WINKT.

Moron WENN DER EINTOPF DAMPFT,

Dragan UND JEDER MAMPFT,

Baran, Dragan und Moron BIS ER AUS DEN POREN STINKT.

Alle BIS ER AUS DEN POREN STINKT.

KNOBLAUCH!

Chagal und Gäste KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
IST UNS’RE LEIDENSCHAFT.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
GEBT LEIB UND SEELE KRAFT.

ER MACHT GRÖSSER WAS ZU KLEIN IST.
ER MACHT EDEL WAS GEMEIN IST
MACHT HÄRTER WAS ERSCHLAFFT.
MACHT HÄRTER WAS ERSCHLAFFT.

(CHAGAL reibt sich die Hände. Es gibt REBECCA das Zeichen, noch mehr Portionen herzurichten. Er schickt MAGDA mit einem Klaps auf der Hintern davon, damit sie noch eine Flasche Wodka holt.)

Magda DIE JUNGEN WOLL’N NUR RAMMELN,
UND DIE ALTEN QUATSCHEN BLOSS.

Chagal KNOBLAUCH MACHT AUS BÜRSCHLEIN MÄNNER
UND AUS GREISEN ROMEOS.

Rebecca NICHTS AUF ERDEN IST GESÜNDER,
GRAD IM WINTER UND BEI UNS.

Rebecca, Chagal, Magda WEIL KNOBLAUCH WUNDER WIRKT!

Alle WEIL KNOBLAUCH WUNDER WIRKT!
WEIL KNOBLAUCH WUNDER WIRKT.
WEIL KNOBLAUCH WUNDER WIRKT.

KNOBLAUCH, KNOBLAUCH.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH.

(Plötzlich wird von draussen die Tür aufgestossen. Der Wind peitscht eine Schneewolke in die Wirtstube. Mit blaugefrorenem Gesicht stolpert ALFRED herein, die steifen PROFESSOR ABRONSIUS auf der Schulter und beladen mit Koffern und Taschen. REBECCA kommt aus der Küche gelaufen. Sie schliesst die Tür. Alle starren ALFRED an, der das Gepäck fallen lassen, den tiefgefrorenen PROFESSOR ABRONSIUS aber noch festhält.)

Dragan WER IST DENN DER?

Baran EIN FREMDER!

Moron NA!

Magda ZWEI!

Baran WAS IST PASSIERT?

Rebecca ERFROR’N.

Magda ERSTARRT.

Drgan VOM FROST GANZ HART.

Moron DER IST FUTSCH.

Magda VEREIST.

Rebecca GLASIERT.

(CHAGAL begrüsst die Ankömmlinge mit einer Verbeugung, während ALFRED den starren PROFESSOR ABRONSIUS von der Schulter gleiten lässt.)

Chagal ICH BEGRÜSST SIE IM ERSTEN
HOTEL AM PLATZ…

Rebecca MAGDA! DEN STUHL HER, SCHNELL!

Chagal …BEHAGLICH UND HÖCHST REELL.

Rebecca SCHNELL MAGDA. HEISSES WASSER!
DIE DÄMPFE LÖSEN KRÄMPFE!

(Als die Musik weiter, geht MAGDA zurück in die Küche. Die steife ABRONSIUS hat auf einem Stuhl gesetzt worden. ALFRED neben ihm sitzt.)

Chagal REIBT DIE NASE MIT WODKA EIN!

Dragan MIT SCHWEINESCHMALZ…

Moron …MIT SENF…

Baran …MIT WEIN!

Chagal MIT KNOBLAUCH!

Alle Knoblauch, Knoblauch, Knoblauch!

Rebecca WO BLEIBT DAS HEISSE WASSER?

Magda HIER!

(MAGDA bringt eine Schüssel mit dampfendem Wasser und stellt sie, REBECCAS Anweisungen befolgend, vor den Stuhl, auf dem ABRONSIUS sitzt. Die GÄSTE flüstern neugierig in einer uns unverständlichen Sprache.)

Alle Wuscha buscha, wuscha buscha
Wuscha buscha, wuscha buscha
Wuscha buscha, wuscha buscha
Wuscha buscha, wuscha buscha

Maga boga, maga boga
Maga boga, maga boga
Maga boga, maga boga
Maga boga, maga boga

(Die Musik untermalt das folgende Fussbad instrumental. MAGDA zieht dem PROFESSOR Schuh und Socken aus, schiebt die Schüssel unter die nackten Füsse des PROFESSORS und beginnt, seine Beine zu massieren. ALFRED start MAGDA fasziniert in dem Ausschnitt. Er ist so abgelenkt, das er nicht bemerkt, wie ABRONSIUS zum leber erwacht. ABRONSIUS öffnet die Augen, erfasst mit einem Blick die Situation und sieht, das die GÄSTE Kränze aus Knoblauch um den Hals trägen. Er gibt ALFRED einen Stoss mit dem Ellebogen.)

Abronsius Was hältst du von diesen kleinen runden Dingern, Junge?

Alfred (den Blick auf MAGDAS Ausschnitt gerichtet) Klein? Die sind gross!

Abronsius Nicht die, Dummkopf! Die da.

(Erst jetzt scheint ALFRED zu bemerken, dass PROFESSOR ABRONSIUS wieder putzmunter ist.)

Alfred Geht es Ihnen wieder gut, Professor?

Abronsius (enthusiastisch) Das ist Knoblauch! Knoblauch!!

(Jetzt sieht auch ALFRED die Knoblauch Kranze.)

Alfred Sie meinen?

Abronsius (bedeutungsvoll) Das Ziel unserer Mission ist ganz nah!

(zu CHAGAL)

Herr Wirt…

Chagal Chagal ist mein Name. Zu Diensten. Ich freue mich, dass…

Abronsius (unterbricht) Gibt es hier in der Gegend ein Schloss?

Chagal Ein Schloss? Nicht doch. Hier gibt es genauso wenig ein Schloss wie eine Windmühle…

(Zu den GÄSTEN, die nach wie vor die Fremden mit offenen Mündern anstarren.)

Hat hier jemand schon mal eine Windmühle hier gesehen?

(Die GÄSTE schütteln die Köpfe. Nur der DORFTROTTEL setzt aufgeregt an, etwas zu sagen.)

Dorftrottel Da… da… das Schloss des Grafen iss…

(Bevor er weiter reden kann, helfen ihm gleich mehrere HOLZFÄLLER mit der Hand den Mund zu. Die Musik endet im selben Moment.)

Chagal Sie hören es. Keine Windmühle, kein Schloss. Nur eine Dorftrottel haben wir hier.

Abronsius Und warum trägt hier jeder Knoblauch?

Chagal Knoblauch?

KNOBLAUCH HILFT GEGEN VIELERLEI,

Rebecca FURUNKEL,

Moron ZAHNWEH,

Baran FURZEREI,

Chagal HEILT KNOBLAUCH,

Alle KNOBLAUCH, KNOBLAUCH, KNOBLAUCH.

Rebecca, Chagal, Baran, Moron, Dragan und Magda BEI KRÄTZE UND BEI HAARAUSFALL
ZU JEDER ZEIT UND ÜBER ALL:

Alle (ausser ALFRED und ABRONSIUS) KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
IST UNS’RE LEIDENSCHAFT.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
GEBT LEIB UND SEELE KRAFT.
MACHT GRÖSSER WAS ZU KLEIN IST.
MACHT STÄRKER WAS ZU FEIN IST.
MACHT HÄRTER, WAS ERSCHLAFFT

(CHAGAL packt sich das Gepäck auf, das ALFRED abgestellt hat.)

Chagal Ich darf den Herren jetzt das Zimmer zeigen.

Alle (ausser ALFRED und ABRONSIUS) KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
BRINGT JEDEN LEIB IN SCHWUNG.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
MACHT DIE ALTEN WIEDER JUNG.

LÄSST MUSKELN WIEDER SCHWELLEN
LÄSST SÄFTE WIEDER QUELLEN
VERSCHAFFT ERLEICHTERUNG!
VERSCHAFFT ERLEICHTERUNG!
BEFREIT DIE SÄFTE
STÄRKT DIE KRÄFTE
BRINGT ERLEICHTERUNG
KNOBLAUCH!

(Lichtwechsel. CHAGAL führt ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS die Treppen hinauf. Verwandlung…)

Szene 3: Auf dem Gang und in Diversen Zimmern

MUSIK: KNOBLAUCH NACHSPIEL

(Am Anfang des Gangs befindet sich das Zimmer von CHAGALS Tochter SARAH, am Ende das Fremdenzimmer, zu dem CHAGAL seine GÄSTE führt. Dazwischen liegt ein Badezimmer, in das man ausser über den Gang ach von den beidseitig angrenzenden Zimmern durch Zwischentüren gelangen kann. ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS folgen CHAGAL, der ihr Gepäck trägt.)

Chagal Bitte, meine Herren, hier entlang.
Hallo, hier gehts weiter!

(Man hört eine FRAUENSTIMME singen.)

Sarahs Stimme AH-AH-AH…

(Der PROFESSOR bleibt stehen und lauscht. Er dreht sich nach ALFRED um.)

Abronsius Hörst du?

Alfred (mit offenem Mund) Wunderschön!

Sarahs Stimme (im Hintergrund) AH-AH-AH…

(CHAGAL steht unter der last der Gepäcks. Er will, dass die beide weitergehen.)

Abronsius Was ist das?

Sarahs Stimme (im Hintergrund) AH-AH-AH…

Chagal Was ist was?

Abronsius Dieses AH-AH-AH…

Sarahs Stimme (im Hintergrund) AH-AH-AH…

Chagal Ach das! Der Wind.

Alfred Himmlisch!

Abronsius Der Wind?

(PROFESSOR ABRONSIUS wirft ALFRED einen bedeutsamen Blick zu, bevor sie weitergehen. Das Singen hört auf. Die Musik spielt untermalt den weiter.)

Chagal Wir sind gleich da…

Abronsius Pah! Der Wind!

(CHAGAL öffnet die Tür zum Fremdenzimmer und lässt seinen GÄSTEN den Vortritt.)

Chagal Bitte, meine Herren! Treten sie ein!

(PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED betreten das Zimmer. CHAGAL folgt und sätze das Gepäck ab.)

Unsere Luxussuite. Etwas besseres finden sie nirgendwo!

(Er geht zur Tür gegenüber dem Bett, die vom Fremdenzimmer direkt in das Badezimmer führt.)

Und hinter dieser Tür, meine Herren, bequemer geht’s nicht, ein hochmodernes Badezimmer!

(CHAGAL öffnet die Badezimmertür.)

Hier sehen sie etwas wirklich Schönes!

(Durch die Tür sehen zuerst ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS, dann auch CHAGAL, die nackte SARAH schaumbedeckt in der Badewanne sitzen. Verlegen lächelt sie die Männer an. Die Musik bricht ab.)

Sarah! Ich hab dir doch… Raus hier!

(SARAH macht Anstalten, der Aufforderung ihres Vaters zu folgen, und erhebt sich aus dem Schaum. CHAGAL fällt ein, dass sie nackt ist.)

Nein, nein, bleib!

(SARAH setzt sich. Er stösst den sich verrecken den ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS zurück und zieht die Tür zu.)

Ich vergass… meine Tochter. Entschuldigen Sie. Das Bad wird gleich frei sein.

(Die Musik geht untermalt den weiter. CHAGAL verabschiedet sich mit einem Bückling. Er geht rückwärts aus dem Zimmer und schliesst die Tür hinter sich, bevor über den Gang abgeht.)

(PROFESSOR ABRONSIUS öffnet seinen Koffer und nimmt einen Stoss Bücher heraus, den er auf das Nachtkästen stellt. ALFRED geht unterdessen zögernd zur Badezimmertür zurück. Im Badezimmer steigt SARAH aus der Badewanne, hüllt sich in einem bereitliegendes Tuch und geht in ihr Schlafzimmer. Sie sucht nach ihrem Nachthemd. ALFRED öffnet von der Seite des Fremdenzimmers die Tür einem Splat weit, um in Bad zu spähen. Er sieht SARAHS Schwamm und nimmt ihn in die Hand. In diesem Moment kommt SARAH in das Bad zurück. Ihre Augen blicken in ALFRED. Sie lächelt geheimnisvoll. ALFRED legt den Schwamm zurück und geht ins Gästezimmer. SARAH nimmt den Schwamm und verschwindet in ihrem Zimmer. ALFRED ist benommen. Er schliesst die Tür zum Bad.)

(CHAGAL betritt wenig später erneut das Gästezimmer, um ins Bad zu gehen. Unterm Arm trägt er Holzlatten, in der Hand einen Hammer, zwischen die Lippen hat er ein Sortiment von überlangen Nägeln geklemmt. Mit entschuldigenden Gesten geht er an PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED vorbei. Im Badezimmer beginnt er, die Tür zu SARAHS Raum zu verbarrikadieren.)

MUSIK: EINE SCHÖNE TOCHTER

Chagal EINE SCHÖNE TOCHTER IST EIN SEGEN.
DOCH EIN SEGEN, DER MESCHUGGE MACHT.
DENN WAS SOLL DER VATER TUN DAGEGEN,
WENN DAS WEIB IN SEINEM KIND ERWACHT?

ER BEMERKT ZUERST WAS AN IHR DRAN IST.
UND VERSTECKT SIE ODER SPERRT SIE EIN.
DENN ER WEISS, WEIL ER JA SELBST EIN MANN IST,
JEDER MANN IST IRGENDWIE EIN SCHWEIN.

Bang - bang - bang - bang (vernagelt die Tür)

SCHLAF, MEIN WUSCHEL-SCHÄTZCHEN!

Bang - bang - bang - bang (vernagelt die Tür)

TRÄUM MEIN KUSCHELKÄTZCHEN!

NIEMAND DARF DICH WECKEN,
NIEMAND DICH ENTDECKEN.
DIR WÜRD’S SCHADEN,
MIR WÜRD’S SCHADEN,
UNS WÜRD’S SCHADEN,
BLEIB BEI PAPA.

DER GEDANKE, DASS EIN GEILER LÜSTLING
SIE BEFINGERT, WECKT DAS TIER IN MIR.
D’RUM BEVOR SIE SO EIN WÜSTLING KÜSST, SCHWING
ICH DEN HAMMER UND BLOCKIER DIE TÜR.

DANN ERST KANN ICH MICH ZUM SCHLAFEN LEGEN,
UND MACHT TROTZDEM KAUM EINE AUGE ZU.
EINE SCHÖNE TOCHTER IST EIN SEGEN.
DOCH DIE ANGST UM SIE RAUBT MIR DIE RUH’.

Bang - bang - bang - bang (hämmert)

SCHLAF, MEIN WUSCHEL-SCHÖPFCHEN!

Bang - bang - bang - bang (hämmert)

TRÄUM MEIN KUSCHEL-KÖPFCHEN.

NIEMAND DARF DICH RAUBEN,
NIE WERD ICH’S ERLAUBEN.
DIR WÜRD’S SCHADEN,
MIR WÜRD’S SCHADEN,
UNS WÜRD’S SCHADEN,
BLEIB BEI PAPA.

(CHAGAL versichert sich, dass die Tür verbarrikadiert ist.)

EINE SCHÖNE TOCHTER IST EIN SEGEN…

Ein Segen? Hah!

(Er schleicht durch’s Fremdenzimmer. Als ALFRED und PROFESOR ABRONSIUS, die gerade zu Bett gehen, ihn erstaunt anstarren, macht er beschwichtigende Handbewegungen. Rasch schliesst er die Gangtür hinter such und geht ab. Es wird dunkler…)

Szene 4: Im Wirtshaus

(Im Halbdunkel sehen wir durch die Wand des Wirtshauses in diverse Räume in den oberen Geschossen. Im Fremdenzimmer liegt der PROFESSOR im Bett und schläft. ALFRED ruht träumend auf einer Holzbank. SARAH ist im ihren Bett. Im Stockwerk darüber befinden sich das Schlafzimmer der Wirtsleute und die Kammer von MAGDA. Dort liegen CHAGAL und REBECCA im Ehebett, da sitzt MAGDA über eine Näharbeit gebeugt.)

MUSIK: EIN MÄDCHEN, DAS SO LÄCHELN KANN

Alfred EIN MÄDCHEN, DAS SO LÄCHELN KANN,
HAB ICH NIE GESEH’N.

Sarah SO EINEN NETTEN JUNGEN MANN
HABE ICH NOCH NIE GESEH’N.

Alfred und Sarah ICH KANN NICHT SCHLAFEN,
DOCH ICH BIN
AUCH NICHT WACH.
DENN ICH TRÄUM.

SEIT WIR UNS TRAFEN,
MACHT ERST SINN,
WAS ICH MACH,
AUCH WENN ICH
EINFACH NUR
DIE ZEIT VERSÄUM.

Sarah …UND VERTRÄUM.

(Während des Gesangs hat sich CHAGAL im oberen Schlafzimmer aus dem Bett gestohlen. Auf Zehenspitzen schleicht er durch das Haus, um in MAGDAS Dachkammer zu gehen.)

Alfred EIN MÄDCHEN, DAS SO LÄCHELN KANN…

Sarah (versetzt) SO EINEN NETTEN JUNGEN…

Alfred SO NATÜRLICH…

Sarah …ZIERLICH…

Alfred und Sarah …HABE ICH NOCH NIE GESEH’N.

(Im dunklen Gang stolpert er. Das hör PROFESSOR ABRONSIUS.)

Abronsius JUNGE, HÖRST DU DAS?

Alfred MHM.

Abronsius JEMAND SCHLEICHT DURCHS HAUS!
ETWAS GESCHIEHT, ICH WEISS NICHT WAS,

Alfred Mhm.

Abronsius DOCH ICH KRIEG ES ‘RAUS.

(PROFESSOR ABRONSIUS steht auf und geht zur Tür. ALFRED beachtet ihn nicht. CHAGAL betritt MAGDAS Kammer. MAGDA näht. Sie scheint nicht berrascht, aber auch nicht erfreut von dem späten Besuch ihres Herrn.)

Chagal WAS MACHT MEIN SÜSSES MAGDALEIN?

Magda NÄH’N.

Chagal SETZ DICH AUF MEIN KNIE.
SO EINE TADELLOSE MAGD
HATTE ICH BISHER NOCH NIE.

(Im Schlafzimmer ist REBECCA aufgewacht. Sie vermisst ihren Gatten. PROFESSOR ABRONSIUS schleicht auf Zehenspitzen über den Flur, wo er nur noch als Silhouette zu sehen ist. CHAGAL bemüht sich um die widerstrebende MAGDA. ALFRED und SARAH sind ganz in ihre Träume versunken.)

Alfred und Sarah ICH FÜHL EIN SEHNEN,
BIN VERWIRRT,
UND ICH WILL
WENN ICH TRÄUM,
MICH AN DICH LEHNEN.
SICHER WIRD
MEIN HERZ STILL,
WÄHREND ICH
NEBEN DIR
DIE ZEIT VERSÄUM UND VERTRÄUM.

(REBECCA ist klar geworden, warum ihr Mann nicht bei ihr ist. Wütend steigt sie aus dem Bett. Bewaffnet mit einer langen, harten Salami macht sie sich auf den Weg zu MAGDAS Kammer.)

Rebecca DER SCHUFT HAT SICH DAVON GEMACHT,
UND ICH WEISS, WOHIN.
PASS AUF!

SO EINEN GEILEN HURENBOCK…

Alfred (versetzt, teilweise gleichzeitig) EIN MÄDCHEN, DAS SO L CHELN KANN…

Chagal (versetzt, teilweise gleichzeitig) SO EINE TADELLOSE MAGD…

Sarah (versetzt, teilweise gleichzeitig) SO EINEN NETTEN JUNGEN MANN…

Magda (versetzt, teilweise gleichzeitig) SO EINEN BUSEN-GRAPSCHER…

Alfred und Chagal UNVERGESSLICH…

Rebecca und Magda …GRÖSSLICH…

Alfred, Sarah, Chagal, Magda und Rebecca HABE ICH NOCH NIE GESEH’N.

Rebecca DER ALTE SACK
KANN’S NICHT LASSEN,
NACH FREMDEN RÖCKEN ZU FASSEN.
DOCH JEDEN MANN,
DER IN FREMDE BETTEN KROCH
ZIEHT DER TEUFEL
IN SEIN LOCH.

(REBECCA erspäht des PROFESSORS Silhouette. Sie hebt die Salami, ihn niederzuschlagen, wenn er sie spielt.)

Alfred, Sarah, Chagal ANSTATT ZU SCHLAFEN,
FRAG ICH MICH
OB DU AHNST,
WAS ICH TRÄUM.
(MAGDA verbindet) SEIT WIR UNS TRAFEN
FÜHLE ICH,

Chagal und Magda FÜHLE ICH.

Alfred und Sarah (gleichzeitig) NUR DICH.

(REBECCA klopft der PROFESSOR nach unten. Mit einem lauten Knall er auf dem Boden aufschlägt. REBECCA sieht in seinem Gesicht. Da entdeckt sie, dass es der PROFESSOR ist, sie schreit und rennt in ihr Zimmer zurück. CHAGAL eilt zu seiner Frau zurück. ALFRED und SARAH sind so versunken in ihre Träume, das sie von all dem nichts wahrnehmen. In mondwandlerischer Trance steigen sie aus den Betten.)

Alfred und Sarah WENN ICH MICH JE VERLIEBE
DANN SICHERLICH

Alfred …IN EINE FRAU WIE DICH…

Sarah (versetzt) …IN EINEN SO WIE DICH…

(Plötzlich hört man aus dem Nirgendwo…)

Stimmen der Vampire (hinter der Bühne) SEI BEREIT!
SEI BEREIT!

Alfred und Sarah WENN ICH MICH JE VER-
LIEBE, DANN
LIEBE ICH
SICHERLICH
JEMANDEN GANZ GENAU
WIE DICH,
ODER ICH
KOMM NIE MEHR WIEDER
ZUR RUHE,
DENN ES WAR NOCH NIE
JEMAND SO WIE DU,
SO WIE DU!

(Die Szene geht über in…)

Szene 5: Vor dem Wirtshaus

(Es schneit. SARAH und ALFRED stehen hinter den jeweiligen Fenstern ihren Zimmer. Beide halten eine brennende Kerze in der Hand.)

MUSIK: PRE “SEI BEREIT”

(Ein übergrossen Schatten fällt über den Schnee und auf das Wirtshaus. Auf dem Proszenium erscheint die Silhouette des GRAF VON KROLOCK.)

MUSIK: SEI BEREIT

Graf Von Krolock JAHRELANG WAR ICH
NUR AHNUNG IN DIR.
JETZT SUCHST DU MICH
UND HAST SEHNSUCHT NACH MIR.
NUN, FREU DICH!
UNS BEIDE TRENNT
NUR NOCH EIN WINZIGES STÜCK
WENN ICH DICH RUFE
HÄLT DICH NICHTS MEHR ZURÜCK.
GETRIEBEN VON TRÄUMEN,
UND HUNGRIG NACH GLÜCK.

Stimmen der Vampire (hinter der Bühne) SEI BEREIT!
SEI BEREIT!

Graf Von Krolock GOTT IST TOT,
NACH IHM WIRD NICHT MEHR GESUCHT.

* WIR SIND ZUM EWIGEN LEBEN VERFLUCHT.
ES ZIEHT UNS
* NÄHER ZUR SONNE,
DOCH WIR FÜRCHTEN DAS LICHT.
WIR GLAUBEN NUR LÜGEN,
VERACHTEN VERZICHT.
WAS WIR NICHT HASSEN,
DAS LIEBEN WIR NICHT.

Stimmen der Vampire (hinter der Bühne, auf *) SEI BEREIT!

Graf Von Krolock WAS ICH RETTE, GEHT ZUGRUND.
WAS ICH SEGNE, MUSS VERDERBEN.
NUR MEIN GIFT MACHT DICH GESUND.
UM ZU LEBEN, MUSST DU STERBEN.
SCHWEBE MIT MIR IN DEN ABGRUND DER NACHT
UND VERLIER’ DICH IN MIR
WIR WERDEN BIS ZUM ENDE JEDER EWIGKEIT GEH’N.
ICH HÜLL DICH EIN IN MEINEN SCHATTEN…

Sarah (sehr leise, wie in Trance) ICH HÖR EINE STIMME, DIE MICH RUFT…

Graf Von Krolock NUN, FREU DICH.
* UNS BEIDE TRENNT
NUR NOCH EIN WINZIGES STÜCK.
WENN ICH DICH RUFE
HÄLT DICH NICHTS MEHR ZURÜCK.
GETRIEBEN VON TRÄUMEN,
UND HUNGRIG NACH GLÜCK.

Stimmen der Vampire (hinter der Bühne, auf *) SEI BEREIT!

(ALFRED und SARAH fühlen keine Gefahr. Sie blicken zu den Sternen hinauf und löschen an gleichzeitig die Kerzen.)

Vampire Gruppe 1 GOTT IST TOT.
NACH IHM WIRD NICHT MEHR GESUCHT.
WIR SIND ZUM EWIGEN LEBEN VERFLUCHT.
ES ZIEHT UNS
NÄHER ZUR SONNE,
DOCH WIR FÜRCHTEN DAS LICHT.
WIR GLAUBEN NUR LÜGEN,
VERACHTEN VERZICHT.
WAS WIR NICHT HASSEN,
DAS LIEBEN WIR
NICHT.

(Blackout.)

Szene 6: Vor dem Wirtshaus, am nächsten Morgen

(Ein später Wintermorgen. Gleissendes Licht. Die Sonne ist so warm, das CHAGAL, REBECCA und MAGDA aus dem Haus gekommen sind, um ihre alltäglichen Pflichten im Freien zu verrichten. CHAGAL sägt Holz, REBECCA rupft eine Gans und MAGDA schneidet Rüben.)

MUSIK: ALLES IST HELL

Rebecca ALLES IST HELL,
WENN DER SCHNEE IN DER SONNE BLITZT.

Magda ALLES GEHT SCHNELL,
WENN MAN DRAUSSEN IM FREIEN SITZT.

Chagal BUTTERWEICH SCHLÜPFTE
MEINE SÄGE DURCH ZEDERN.

Rebecca BEIM GÄNSERUPFEN
FLIEGEN DIE FEDERN.

Magda, Chagal, Rebecca ALLES IST GUT,
WENN DIE SONNE DEN FROST VERSCHEUCHT.
WAS MAN AUCH TUT:
FRISCHE LUFT MACHT DIE ARBEIT LEICHT.

Magda (mit Blick auf CHAGAL) WELCHE EINE FREUDE,
DAS MESSER ZU SCHWINGEN.

Magda, Chagal, Rebecca ALLES MUSS HEUTE
BESSER GELINGEN!

(KOUKOL, der bucklige Diener des GRAF VON KROLOCK, tritt auf. CHAGAL, REBECCA und MAGDA verstummen, als sie ihn sehen. Die Frauen lassen alles stehen und liegen und flüchten ins Haus. Unterwürfig macht CHAGAL eine Verbeugung vor KOUKOL. Die Musik untermalt den folgenden Dialog.)

Koukol Orghh… sst… gwnf.

Chagal Zu Diensten, Herr Koukol. Was kann ich für Sie tun an diesem herrlichen Morgen?

Koulol Kh… khh… err… zn… orghh.

Chagal Kerzen? Da sieht es schlecht aus. Wir sind selber sehr knapp, der lange Winter, verstehen Sie…

(SARAH blickt aus dem Fenster ihres Zimmers. CHAGAL, der mit dem Rücken zum Haus steht, bemerkt sie nicht.)

Koukol (zornig) Ho… Ha… Ahriiii… ogahh… hoooh.

Chagal Ist ja gut, Koukol. Regen Sie sich nicht gleich so auf! Hab ich gesagt, ich hab keine Kerzen? Es werden sich schon noch ein paar finden. Warten Sie hier!

(CHAGAL geht ins Haus.)

(KOUKOL versucht, SARAH gestikulieren klar zu machen, dass sie sich in der kommenden Nacht bereithalten soll.)

Koulol Rroughagh… du… heute… abend… hier… mitkommen… du… heute… abend… mir.

(CHAGAL kommt zurück mit einem Bündel Kerzen, die er KOUKOL überreicht.)

Chagal Bitte sehr, Koukol. Zwei Dutzend, nicht tropfend. Meine Empfehlung an Ihre Exzellenz… Erinnern Sie ihn gelegentlich an die offenen Rechnungen…

Chagal Uhroougha… oguhh… hoooh.

(KOUKOL dreht sich zornig um und humpelt rasch davon. CHAGAL spuckt aus. In diesem Moment treten PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED aus der Haustür. Gleich darauf kehren auch REBECCA und MAGDA zurück.)

Abronsius WIE SCHADE, DASS DER HERR SCHON GING.
WER IST DAS DENN GEWESEN?

Chagal EIN KRÜPPEL.

Abronsius DOCH SIE FÜRCHTEN IHN.
DAS RÄTSEL WILL ICH LÖSEN.
LOGIK! LOGIK!
ZUR WAHRHEIT FÜHRT NUR LOGIK.

(ALFRED entdeckt SARAH oben am Fenster. Er winkt ihr zu. Dadurch wird CHAGAL aufmerksam. Es gibt SARAH einer ägerlichen Geste zu verstehen, dass sie verschwinden soll. SARAH zieht sich zurück.)

(Im Kreis gehend mustert PROFESSOR ABRONSIUS misstrauisch aufnehmen. ALFRED tut alles, um doch noch einen Blick auf SARAH zu erhaschen.)

WOVOR DIESE ANGST? VOR WEM? WARUM?
WOHER KAM DER MANN? WAS MACHT EUCH STUMM?

(Keine Antwort. PROFESSOR ABRONSIUS fixiert REBECCA, die tut, als ob sie es nicht bemerken.)

UND WER VON EUCH
WAR SO HUNDSGEMEIN
UND SCHLUG MIR HEUT NACHT
FAST DEN SCHÄDEL EIN?

(Keine Antwort. REBECCA, ganz Unschuld, pfeift das “Morgenlied.”)

MUSIK: LOGIK

NIEMAND KANN MICH IRRITIEREN.
FÜR MICH ZÄHLEN NUR DIE FAKTEN.
NIEMAND KANN MICH IRREFÜHREN,
DENN ICH TRAUE NUR DEM EXAKTEN.
ICH SUCH WAHRHEIT
UND WAHRHEIT WILL IMMER KLARHEIT.

MEIN VERSTAND IST UNBESTECHLICH.
ICH STUDIER’ DAS POSITIVE.
ICH BIN NIEMALS OBERFLÄCHLICH.
ICH SEHE IMMER IN DIE TIEFE
DENN DIE WAHRHEIT,
WILL IMMER KLARHEIT.

MEIN WISSENSDRANG KOMMT NICHT ZUR RUHE,
SOLANG NOCH ZWEIFEL NAGEN.
ICH LASSE KEIN GEHEIMNIS ZU.
ICH HÖR NICHT AUF ZU FRAGEN:

WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN?
WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN?

Magda, Chagal, Rebecca ALLES IST LEICHT,
WENN DER TAG
MIT MUSIK BEGANN.
VIEL IST ERREICHT,
WENN MAN
SORGEN VERGESSEN KANN.
ES MUSS SICH KEINER
HEUTE ÄRGERN UND PLAGEN.
AUSSER EIN ESEL
STELLT DUMME FRAGEN.

Abronsius WENN IN MIR DER VERDACHT ERWACHT,
ES WIRD MIR WAS VERSCHWIEGEN,
VERSUCHE ICH MIT ALLER MACHT,
DIE WAHRHEIT RAUS ZU KRIEGEN.
SCHON IN DER WIEGE FING ICH AN,
MEIN SPIELZEUG AUF ZU BIEGEN
IM UNGESTÜMEN WISSENS DRANG
ZERLEGTE ICH SOGAR DIE KUCKUCKSUHR.

OB OSTERHASE, OB NIKOLAUS,
ICH LIESS MICH NICHT BETRÜGEN.
IN DER SCHULE FAND ICH SCHNELL HERAUS,
DASS ALLE LEHRER LÜGEN.
KEINE ANTWORT, DIE SIE GABEN,
KONNTE JEMALS MIR GENÜGEN,
DENN ICH BÜCHER EINGEGRABEN
STUDIERTE ICH DIE RÄTSEL DER NATUR.

ICH GLAUB AN DIE VERNUNFT.
SIE WIRD AM ENDE TRIUMPHIEREN
UND MAG AUCH DIE PROFESSORENZUNFT
MEIN WISSEN IGNORIEREN
DOCH ICH HASSE EMOTIONEN.
NIEMAND KANN MICH PROVOZIEREN.
OHNE JEMALS MICH ZU SCHONEN
BLEIBE ICH DER WAHRHEIT IMMER AUF DER SPUR.

MEIN VERSTAND IST UNBESTECHLICH.
ICH STUDIER’ DAS POSITIVE.
ICH BIN NIEMALS OBERFLÄCHLICH.
ICH SEHE IMMER IN DIE TIEFE
DENN ICH SAMMLE DIE BEWEISE
UND BEWERTE DIE MOTIVE
JA ICH DIEN IN JEDER WEISE
NUR DEM FORTSCHRITT UND DER MENSCHLICHEN KULTUR.

Magda, Chagal, Rebecca, Alfred SEIN VERSTAND IST UNBESTECHLICH.
ER STUDIERT DAS POSITIVE.
ER IST NIEMALS OBERFLÄCHLICH.
ER SIEHT IMMER IN DIE TIEFE.
DENN ER SAMMELT DIE BEWEISE
UND BEWERTET DIE MOTIVE.
JA, ER DIENT AUF JEDE WEISE
NUR DEM FORTSCHRITT UND DER MENSCHLICHEN KULTUR.

(Während CHAGAL und REBECCA die Melodie noch schneller singen, steigert PROFESSOR ABRONSIUS sich in eine Art Koloratur. Quasi Opera Buffa.)

Magda, Chagal, Rebecca FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR!

Abronsius ICH SUCHE WAHRHEIT
ICH SUCHE KLARHEIT
FÜR FORTSCHRITT UND
DIE MENSCHLICHE KULTUR.

ICH SUCHE WAHRHEIT
ICH SUCHE KLARHEIT
FÜR FORTSCHRITT UND
DIE MENSCHLICHE KULTUR.

ICH SUCHE WAHRHEIT
ICH SUCHE KLARHEIT
FÜR FORTSCHRITT UND
DIE MENSCHLICHE KULTUR.

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR!

Abronsius (allein) WO MAN EINE GANS RUPFTE,
GIBT’S BALD EINEN BRATEN.
WO EIS IST UND SCHNEE,
WACHSEN KEINE TOMATEN.
WO NÄCHTLICH RUMORT WIRD,
DA KANN MAN NICHT SCHLAFEN.
UND WO EINER BUCKELT,
DA GIBT’S EINEN GRAFEN.
(zu ALFRED) ICH WETTE DEN NOBELPREIS,
DIESER BUCKLIGE BEDIENT IHN.
WARUM HAST DU IHN NICHT VERFOLGT?
DEN SCHLUSS KANN DOCH JEDES KIND ZIEHN.
LOGIK, LOGIK!
WER FRAGT, DEM SAGT DIE LOGIK:

WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN.

Magda, Chagal, Rebecca, Alfred FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,

FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR,
FÜR DIE MENSCHLICHE KULTUR!

Abronsius MEIN VERSTAND IST UNBESTECHLICH.
ICH STUDIERE DAS POSITIVE.
ICH BIN NIEMALS OBERFLÄCHLICH.
ICH SEH IMMER IN DIE TIEFE.

DENN ICH SAMMLE DIE BEWEISE
UND BEWERTE DIE MOTIVE.
JA ICH DIEN AUF JEDE WEISE
NUR DEM FORTSCHRITT UND DER MENSCHLICHEN KULTUR.

ICH SUCHE WAHRHEIT
ICH SUCHE KLARHEIT
FÜR DEN FORTSCHRITT UND
DIE MENSCHLICHE KULTUR.

ICH SUCHE WAHRHEIT
ICH SUCHE KLARHEIT
FÜR DEN FORTSCHRITT UND
DIE MENSCHLICHE KULTUR!

Alle FÜR DIE KULTUR!

(Der Tag vergeht, die Sonne sinkt. Es wird langsam dunkel. Verwandlung.)

Szene 7: Badezimmer

MUSIK: DU BIST WIRKLICH SEHR NETT

(Am Abend desselben Tages. Nur mit einem Hemd bekleidet steht ALFRED im Badezimmer und giesst heisses Wasse in die Wanne. Er hört SARAH singen.)

Sarahs Stimme (im Hintergrund) AH-AH-AH…
AH-AH-AH…

(Im Fremdenzimmer liegt PROFESSOR ABRONSIUS angezogen auf dem Bett und schläft. SARAH kommt über den Flur ins Zimmer und zur Badezimmertür. ALFRED hat den letzten Eimer in die Wanne gegossen. Aufblickend bemerkt er, das SARAH ins Badezimmer getreten ist.)

Sarah Entschuldigung!

Alfred (verlegen) Guten Abend.

Sarah Sie wollen baden. Störe ich?

Alfred Nein, überhaupt nicht…

Sarah DU BIST WIRKLICH SEHR NETT.
D’RUM WIRST DU MIR VERZEIH’N.
EINGESPERRT IN MEIN ZIMMER VOLL KNOBLAUCH
BIN ICH IMMER ALLEIN.

Alfred DU MEINST… DEIN VATER SPERRT DICH IN DEIN ZIMMER EIN?

Sarah ALLERDINGS, OBWOHL ICH FAST SCHON ACHTZEHN BIN!

(Aus SARAHS Hausmantel fällt ein Schwamm zu Boden. Beide bücken sich danach. SARAH kommt ALFRED zuvor. Sie hebt den Schwamm auf und hält ihn an ihre wange.)

Alfred Oh, ein Schwamm.

Sarah Er so weich… Ich liebe ihn.

Alfred Ja, das ist ein sehr schöner Schwamm!

Sarah (reicht ihm den Schwamm) Ich schenk ihn dir. Ich hab zwei.

Alfred (nimmt ihn) Danke. Vielen Dank… Kann ich dir auch etwas geben?

Sarah Darf ich mir was wünschen?

Alfred Ja. Was?

Sarah DU HAST, WAS ICH GERN HÄTT.
ES ZU TUN, IST GESUND.
MIR TUT’S JEDENFALLS GUT
MINDESTENS EINMAL AM TAG,
EINMAL AM TAG.
D’RUM SEI LIEB ZU MIR.
LASS ES MICH BITTE HABEN.

Alfred (verwirrt) DU MEINST…?

Sarah SCHNELL VORM SCHLAFEN GEH’N,
WEIL ES SO ANGENEHM ENTSPANNT.

Alfred (schüchtern) DOCH DEIN PAPA…

Sarah BRAUCHT NICHT ZU ERFAHR’N.

Alfred NUN, DANN, VIELLEICHT…

Sarah GUT, ALSO GUT.
DANN ZIEH ICH MICH JETZT AUS.
UND ERFÜLL MIR DEN TRAUM.
WART,
GLEICH STÖHNE ICH VOR LUST…

(SARAH stösst den verblüfften ALFRED aus dem Badezimmer und schliesst die tür.)

…IN DER WANNE VOLL SCHAUM.

(Lichtwechsel. SARAH legt den Hausmantel ab und steigt selig in die schaumgefüllte Wanne. ALFRED kämpft gegen die Versuchung an, durch's Schlüsselloch zu spähen.)

AH-AH-AH…
AH-AH-AH…

(Plötzlich ändert die Musik auf dramatische Weise ihren Charakter. Lichtwechsel. Schnee fällt in das Badezimmer. Auf dem Dach das Wirtshauses erscheint GRAF VON KROLOCK und blickt durch eine offene Luke auf SARAH hinunter. Sie ist starr vor Schreck.)

MUSIK: ICH LAD’ DICH EIN

Graf Von Krolock GUTEN ABEND,
HAB VOR MIR KEINE ANGST.
ICH BIN DER ENGEL,
NACH DEM DU VERLANGST.
DAS WARTEN
IST BALD VORÜBER
DENN ICH LADE DICH EIN.
BEIM BALL DES JAHRES
TANZEN WIR DURCH DIE NACHT.
BIS DEINE SEHNSUCHT
EINE FRAU AUS DIR MACHT.

(GRAF VON KROLOCK schwebt vom Dach in das Badezimmer. SARAH ist erkennbar faziniert.)

ODER WILLST DU LIEBER
DASS ALLES BLEIBT SO WIE ES IST?
GLAUBST DU, DAS WÄRE DIR GENUG?
ICH DENKE MIR, DAS WÄR DIR NIE GENUG.
WILLST DU LIEBER BETEN
BIST DU GRAU UND BITTER BIST?
GLAUBST DU, DAS WÄRE DIR GENUG?
DU WEISST GENAU, DAS WÄR DIR NIE GENUG.

SIE WARNTEN DICH
VOR SÜNDE UND GEFAHR.
ABER DU HAST
IMMER SCHON GEAHNT,
DASS IHRE SICHERHEIT
EIN GROSSER SCHWINDEL WAR.

ES WAR ALLES GELOGEN,
WAS MAN DIR VERSPRACH.
JEDER HAT DICH BETROGEN
WENN ER DICH BESTACH.
DOCH ICH GEB DIR WAS DIR FEHLT

(ALFRED, der der Versuchung nicht länger stand hält endlich doch durch’s Schlüsselloch späht, weissnicht, was er von dem Beobachteten halten soll.)

EINE REISE AUF DEN FLÜGELN DER NACHT
IN DIE WAHRE WIRKLICHKEIT.
IN DEN RAUSCH DER DUNKELHEIT
MACH DEIN HERZ BEREIT
ICH LAD DICH EIN ZUM MITTERNACHTSBALL.

(GRAF VON KROLOCK steigt auf den Rand der Badewanne und kommt SARAH gefährlich nahe.)

ICH GEB DIR WAS DIR FEHLT.
EINE REISE AUF DEN FLÜGELN DER NACHT
UM DEM ALLTAG ZU ENTFLIEH’N
IN DEN RAUSCH DER PHANTASIEN.
ES IST BALD SO WEIT:
ICH LAD DICH EIN ZUM MITTERNACHTSBALL.
ZUM BALL!

(ALFRED begreift auf einmal, um wen er sich handelt.)

Alfred (schreit hysterisch) Professor, Professor! Er ist da drin!

Abronsius Wer?

Alfred Na der! Ich hab ihn gesehen!

(PROFESSOR ABRONSIUS springt auf und reisst die Tür zum Badezimmer auf. SARAH wäscht, als wäre nichts gewesen, in aller Unschuld ihren Arm. Die Musik bricht ab. GRAF VON KROLOCK ist spurlos verschwunden.)

Abronsius (zu ALFRED) Was redest du für dummes Zeug, Junge? Phantasierst du oder was?

(PROFESSOR ABRONSIUS sieht eine Schneeflocke durch Zimmer schweben und entdeckt die offene Dachluke. In diesem Moment kommen, herbeigerufen von ALFREDS Geschrei, nacheinander CHAGAL und REBECCA ins Badezimmer gestürzt. Sie begreifen sofort, was geschehen ist.)

Chagal Um Himmels Willen! Sarah! Hat er…? Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, du sollst im Zimmer bleiben?

Sarah (trotzig) Ich wollte doch nur baden.

(CHAGAL wirft ein Handtuch über SARAH und trägt sie über den Flur in ihr Zimmer. REBECCA läuft hinterher. Intzwischen inspiziert PROFESSOR ABRONSIUS das Badezimmer, wobei ALFRED ihm assistiert.)

Abronsius Riechst du das? … Verwesungsgeruch! Er war hier. Aber er hat sie nicht gebissen. Will sie wohl verführen, der Schuft. Blut von Freiwilligen schmeckt ihnen besser.

(Intzwischen ist CHAGAL mit SARAH in ihrem Zimmer. Er schliesst die Tür von innen. REBECCA bleibt auf dem Flur. PROFESSOR ABRONSIUS setzt seine Untersuchung fort. ALFRED sieht durch das Schlüsselloch der Badezimmertür in SARAHS Zimmer.)

Chagal Warum kannst du nicht folgen? Willst du mich meschugge machen? Oh, ich werde dich gehorchen lehren…

(Er legt SARAH übers Knie und verhaut sie.)

Sarah Nein! Aua! Aua!

Rebecca (hinter der Tür zum Flur) Was machst du, Yoine?

Sarah Mama!

Rebecca Das Bad ist verflucht!

(CHAGAL lässt von SARAH ab.)

Chagal Wirst du jetzt ein braves Mädchen sein?

Sarah Ja, Papa! Bestimmt, Papa! Ich verspreche. Ich werde nie wieder baden!

(CHAGAL verlässt das Zimmer und schliesst krachend die Tür.)

(Blackout. Verwandlung. Auf das einsame Wirtshaus fällt Schnee. Die Zeit vergeht…)

Szene 8: Vor dem Wirtshaus

(Dieselbe Nacht, Stunden spatter. KOUKOL schleicht um das Wirtshaus. SARAH kommt ans Fenster and sieht ihn. KOUKOL gestikuliert und deutet auf ein mitgebrachtes Bündel, das er für sie im Schnee versteckt, bevor er abgeht. SARAH verschwindet von Fenster. Sie verlässt ihr Zimmer und kommt gleich darauf aus der Haustür um zu holen, was KOUKOL gebracht hat.)

(SARAH hat das Bündel gerade an sich genommen, als ALFRED aus dem Haus kommt. Die Musik wird romantisch. ALFRED ist ganz in seine Gedanken versunken, die sich all met SARAH beschäftigen. Er blickt sehnsüchtig zu ihrem Fenster hinauf, ohne zu bemerken, das sie hinter ihm steht.)

MUSIK: DRAUSSEN IST FREIHEIT

Alfred UNTER DIESEM DACH
LEBT DER LIEBSTE MENSCH DER WELT.
KANN ES ZUFALL SEIN,
DASS WIR UNS TRAFEN HIER?
SARAH, BIST DU WACH?
BITTE KOMM DOCH AN DEIN FENSTER.
ICH STEH HIER IM MONDLICHT,
UND WÜNSCH MIR, ICH WÄR BEI DIR.

(SARAH geht auf ALFRED zu. Überrascht dreht er sich um.)

Sarah NICHT SO LAUT!
ICH BIN JA DA.
MACH BLOSS KEINEN LÄRM.
SONST HÖRT DICH PAPA.

Alfred KANN ES WIRKLICH SEIN?

Sarah ES IST ZIEMLICH SPÄT.

Alfred DU UND ICH ALLEIN!

Sarah ICH HIELT’S NICHT MEHR AUS.

Alfred ICH BIN GLÜCKLICH.

Sarah NIEMAND DARF’S WISSEN!

Alfred ICH WOLL’T DICH SEHEN

Sarah DRINNEN ERSTICK ICH.

DRAUSSEN IST FREIHEIT.
DORT, WO DER
HORIZONT BEGINNT.
GIBT ES EIN LAND,
IN DEM ALLE
WUNDER MÖGLICH SIND.

Alfred KEINE MAUER, DIE UNS JE TRENNT
KEINE GRENZE, DIE WIR NICHT ÜBERWINDEN.
KOMM ZU MIR,
DENN MIT DIR
KANN ICH BIS ZU DEN
STERNEN GEH’N.

DRAUSSEN IST FREIHEIT.
UND HOFFNUNG DIE MAN
HIER NICHT KENNT,
DRAUSSEN IST FREIHEIT.
WEIT FORT VON ALLEM
WAS UNS TRENNT…

Sarah und Alfred …BEGINNT WAS MAN
LEBEN NENNT.

Sarah WIE ROMANTISCH,
IM MONDLICHT
ZU STEH’N.
LEIDER BIN
ICH BEREITS EINGELADEN.
NUN, EIN STÜCK
WEIT DARFST DU
MIT MIR GEH’N.
DOCH VERSPRICHT
MIR, MICH NICHT
ZU VERRATEN.

Alfred WO WILLST DU HIN?

Sarah EIN GEHEIMNIS VON MIR.

Alfred NICHT DURCH DEN WALD!

Sarah WENN DU ANGST HAST, BLEIB HIER.

Alfred ES IST DUNKEL UND KALT.

Sarah DAS MACHT MIR DOCH NICHTS AUS.

Alfred DU VERIRRST DICH UND ERFRIERST IM SCHNEE.

Sarah ICH WEISS SCHON, WOHIN ICH GEHE.

Alfred NACHTS KOMMEN DIE WÖLFE RAUS.

Sarah ICH LANGWEILE MICH TOT ZU HAUS.

Sarah und Alfred DRAUSSEN IST FREIHEIT.
EIN GLÜCK, DASS KEINE
SCHRANKEN KENNT.
DRAUSSEN IST FREIHEIT.
WEIT FORT VON ALLEM,
WAS UNS TRENNT.
BEGINNT, WAS MAN
LEBEN NENNT.

(Die Musik ändert ihren Charakter.)

Sarah Jetzt hab ich den Schwamm vergessen.

Alfred Den Schwamm?

Sarah Holst du ihn mir?

Alfred Wozu brauchst du jetzt den Schwamm?

Sarah Bitte! Er ist im Bad.

(ALFRED geht ins Haus.)

(SARAH nimmt das Bündel und öffnet es. Im dem Bündel sind ein Paar rote Stiefel. SARAH packt sie aus und hebts sie bewundernd hoch.)

Sarah DARF ICH ODER NICHT?
EINERSEITS IST ES VERKEHRT,
DOCH ANDERERSEITS HAB ICH
SCHON LANG DAVON GETRÄUMT.

(Sie zieht ihre abgetragenen Schuhe aus, und schlüpft in die Roten Stiefel.)

WAS IST SCHON DABEI?
WARUM SOLL ICH SIE NICHT TRAGEN?
ICH BIN ALT GENUG UND HABE SCHON
VIEL ZU VIEL VERSÄUMT.

MORGEN BIN ICH WIEDER BRAV,
HEUTE WERD ICH SCHWACH,
MORGEN BRAUCHE ICH SCHLAF,
HEUTE BLEIB ICH WACH.
JETZT TUT ICH WAS ICH WILL,
JETZT WILL ICH WAS ICH FÜHL
UND ICH FÜHL DEN HUNGER NACH GLÜCK
UND DEN DURST AUF DAS LEBEN.
ICH WILL MUSIK
ICH WILL TANZEN UND SCHWEBEN:

(SARAH schliesst träumend die Augen, während sie sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis dreht. Gleichzeitig erscheint an anderer Stelle der Bühne ihre Traumvision: SARAHS EBENBILD dreht sie wie sie im Kreis. Mehrere PRINZEN umringen sie und tanzen abwechselnd mit ihr.)

SCHRANKENLOST FREI
WIE EIN ENGEL DER DURCH WOLKEN FLIEGT.
SCHWERELOST LEICHT
WIE DAS LICHT, DAS SICH IM WASSER WIEGT.

(Von Ferne beobachtet GRAF VON KROLOCK die Verführung SARAHS.)

Graf Von Krolock TUN WAS DIE VERNUNFT NICHT ERLAUBT.
UND FRAG NICHT, OB DU ES MORGEN BEREU’N WIRST.

Sarah DIE VERSUCHUNG WILL,
ICH SOLL IHR GANZ GEHÖR’N
UND SOLLTE SIE MICH AUCH ZERSTÖR’N,
ICH KANN MICH SOWIESO NICHT WEHR’N DENN…

(TANZSEQUENZ.)

Graf Von Krolock und Sarah WAS UNS BEFREIT,
DAS MUSS STÄRKER SEIN ALS WIR ES SIND.
ES TRÄGT UNS WEIT,
WEIL ES STÄRKER IST ALS WIR ES SIND.
WIR FOLGEN IHM
WER WEISS WOHIN!

(Während SARAH mit den VAMPIREN ihres Traumes tanzt und immer weiter ins Labyrinth des GRAFEN gelockt wird, sehen wir ins Innere des Wirthauses. REBECCA sitzt schlaflos im Bett…)

Rebecca WENN MUSIK DAS HERZ VERWIRRT
UND DIE SEHNSUCHT TANZEN GEHT,
WENN DIE SEELE SICH VERIRRT,
DANN HILFT NUR NOCH EIN GEBET.

(…die nähende MAGDA kämpft gegen ihre eigenen Träume an…)

Rebecca und Magda GOTT, BEWAHRE UNS VOR DEM GRAU’N.
DESSEN SCHRECKEN UNS VERFÜHRT,
LASS UNS NICHT IN TIEFEN SCHAU’N,
DEREN ABGRUND UNS BERÜHRT.

(…während ALFRED nach dem Schwamm sucht…)

Rebecca, Magda, Alfred GOTT, BEFREIT UNS VON DEM DRANG
DAS VERBOTENE ZU TUN.
LASS DEN HANG ZUM UNTERGANG
IM TIEFSTEN GRUND DER SEELE RUH’N.

GOTT, VERGIB UNS UNSER’ GIER’N,
NACH DEM BÖSEN UND DER NACHT,
LASS UNS NICHT DEN KOPF VERLIER’N,
WENN DAS TIER IN UNS ERWACHT!

(…und SARAH ihrem eigenen Traum zusieht…)

Alle GOTT, BESCHÜTZT UNS VOR DER SUCHT,
MEHR ZU WOLLEN ALS UNS FROMMT,
UND VERSPERRE UNS JEDE FLUCHT,
WENN DIE LUST UNS ÜBERKOMMT.

Sarah (gleichzeitig) WAS MICH BEFREIT,
DAS MUSS STÄRKER
SEIN ALS
ICH ES BIN.

Alle GOTT, BESCHÜTZT UNS VOR DER SUCHT,
MEHR ZU WOLLEN ALS UNS FROMMT,
UND VERSPERRE UNS JEDE FLUCHT,
WENN DIE LUST UNS ÜBERKOMMT.

Sarah (gleichzeitig) ES TRÄGT MICH WEIT,
WEIL ES STÄRKER
IST ALS
ICH ES BIN.

Alle GOTT SCHLIESST UNS’RE WÜNSCHE EIN,
MACH UNS FÜR VERSUCHUNG BLIND,
GIB UNS KRAFT, NICHT SCHWACH ZU SEIN,
MACH UNS STÄRKER ALS WIR SIND.

Graf Von Krolock und Sarah (gleichzeitig) WAS UNS BEFREIT,
DAS MUSS STÄRKER
SEIN ALS
WIR ES SIND!

(Im obergeschoss des Gasthauses wir ein Fenster geöffnet, in dem einen Moment lang ALFRED erscheint.)

Alfred (mit gedämpfter Stimme rufen) Sarah! Ich kann der Schwamm nicht finden!

(Die Traumvision verschwindet. SARAH schreckt auf.)

Sarah Macht nichts!

Alfred Sarah…

(Sie zögert nur einen Augenblick, den läuft sie davon. ALFRED verlässt das Fenster. Gleich darauf kommt er aus dem Haus. Er läuft ein Stück weit in die Richtung, in die SARAH gelaufen ist. Da er sie nicht mehr sieht, bleibt er stehen.)

(in Panik) Sarah!

(Alarmiert von ALFREDS Geschrei stürzt CHAGAL aus dem Haus, gefolgt von REBECCA. Beide sind im Nachthemd.)

(CHAGAL sieht die im Schnee zur zurückgelassenen Schuhe SARAHS. Er hebt sie hoch, zeight sie REBECCA.)

Chagal IHRE SCHUH!
ES IST PASSIERT.
ER HAT SIE GEHOLT,
HAT SIE UNS ENTFÜHRT.

(CHAGAL drückt der entgeisterten REBECCA die Schuhe in die hand.)

Rebecca OHH! MEIN ARMES KIND!

Chagal ICH HOL’ SIE ZURÜCK.

Alfred WO IST SIE BLOSS HIN?

Chagal ER DARF MIR DIE TOCHTER NICHT STEHLEN.

Rebecca DU WILLST ZUM SCHLOSS GEH’N?
DAS IST GEFÄHRLICH!

Chagal ICH BRING SIE WIEDER.

(CHAGAL läuft davon.)

Rebecca Yoine, was hast du vor?
Pass auf! Sei vorsichtig!

Chagal (hinter der Bühne) Sarah! Sarah!

(Blackout.)

Szene 9: Wirtshausstube

(Am Nachmittag des nächsten Tages. Bedrückt sitzen die üblichen GÄSTE an den Tischen. MAGDA kehrt den Boden.)

MUSIK: WUSCHA-BUSCHA

Gäste KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
IN DER SUPPE UND IM QUARK.
KNOBLAUCH, KNOBLAUCH
GEHT VOM MAGEN GLEICH INS MARK.

(Etwas später kommen PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED die Treppe herunter, gerüstet für eine Exkursion. REBECCA schneutz sich.)

SIND DIE TAGE AUCH BESCHWERLICH
UND DIE NÄCHTE SEHR GEFÄHRLICH.
KNOBLAUCH MACHT UNS HART.
KNOBLAUCH MACHT UNS STARK.
KNOBLAUCH HILFT UNS,
KNOBLAUCH HILFT UNS,
KNOBLAUCH MACHT UNS…

(Plötzlich wid die Tür aufgestossen. Holzfäller tragen den steifgefrorenen Körper von CHAGAL herein. Untermalt den spielt die Musik Weiter.)

Rebecca Oiih! Oiih!

Alfred (zu MAGDA) Heisses Wasser! Schnell!

(Der leblose CHAGAL wird auf einen Tisch gestellt. PROFESSOR ABRONSIUS beugt sich über ihn und entdeckt kleine Bisswunden am Hals und Knöchel.)

Abronsius Heisses Wasser hilft da nicht mehr. Er ist tot.

Rebecca Oiiih! Oiiih!

Abronsius (zu ALFRED) Da! Schau! Bisswunden! Nette kleine Löcher. Na, so was! Sie haben ihn eins-zwei fix ausgesaugt.

Alle DIE WÖLFE SIND GEFÄHRLICH,
IM WINTER JEDENFALLS.
DANN SPRINGEN SIE,
SO WILD WIE NIE
DEN MENSCHEN AN DEN HALS.

Abronsius DAS DA WAREN NICHT DIE WÖLFE,
WER DAS WARE, IST KLAR ZU SEH’N.
WENN IHR WEITER LÜGT,
EUCH SELBST BETRÜGT,
WIRD NOCH SCHLIMMERES GESCHEH’N!
WIRD NOCH SCHLIMMERES GESCHEH’N.

Stellt euch der Wirklichkeit, ihr Feiglinge!

DIE LEICHE WIRKT WIE AUSGELAUGT,
WIE LÄNGST VON MIR BESCHRIEBEN,
DAS OPFER WURDE LEERGESAUGT,
KEIN TROPFEN IST GEBLIEBEN.
MEINE THESE
ENTSPRICHT DER WAHRHEIT.

(Die GÄSTE verlassen die Wirtsstube. ALFRED versucht, sie aufzuhalten.)

Alfred MOMENT NOCH! HALT! SIE GEH’N ZU FRÜH!
SIE MÜSSEN UNS NOCH SAGEN
WO GING SIE HIN? WEN SUCHTE SIE?

Abronsius BLEIBT HIER! ES GIBT NOCH FRAGEN!

Alfred und Abronsius WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN.
WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN…

(Als letzter GAST verlässt der DORFTROTTEL das Wirtshaus. PROFESSOR ABRONSIUS wendet sich wieder CHAGAL zu.)

Abronsius HÖCHSTE EILE IST GEBOTEN.
DER WIRD WENN WIR IHN VERLIEREN…

(Er setzt den gefrorenen CHAGAL gerade.)

…EINER VON DEN LEBENDTOTEN,
DIE NACH BLUTKONSERVEN GIEREN.

(Er kreuzt die Arme CHAGALS auf der Brust.)

WIR WOLL’N DIESEN…
VERSTORB’NEN LIEBER DURCHSPIESSEN.

(Die Musik spielt untermalt den weiter. ALFRED und REBECCA starren auf den spitzen Pflock in der Hand des PROFESSORS. Dann versteht REBECCA und beginnt zu schreien.)

Rebecca Oiiih! Oiiih!

Abronsius (zu REBECCA) Mut, Madame Chagal! Der Körper ihres Gatten ist verloren, aber wir können seine Seele retten.

Abronsius GEMÄSS VAN HELSINGS THEORIE
UND MEINEN EIG’NEN SCHRIFTEN
GIBT’S KEINE BESS’RE THERAPIE,
UM SEELEN ZU ENTGIFTEN.

VIELE
NEUROSEN
SIND HEILBAR
DURCH STOSSEN!

Rebecca Durch stossen? Was wollen Sie durchstossen?

Abronsius (demonstriert, was er tun will) Sein Herz. Mit einem Schlag. So: Zack!

Rebecca (attackiert PROFESSOR ABRONSIUS) SEIN HERZ DURCHSTOSSEN
MIT DIESEM STOCK?
BIST DU VERRÜCKT
ALTER ZIEGENBOCK!

(Sie reisst PROFESSOR ABRONSIUS den Pflock aus der Hand und geht damit auf ihn los.)

(mehr geschrien als gesungen)

RAUS HIER! WEG! WAS FÄLLT DIR EIN, DU SCHWEIN!

(brüllt PROFESSOR ABRONSIUS hinterher)

ICH RAMM DIR DEINEN SPIESS
GLEICH SELBER REIN!

(PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED laufen die Treppe hinauf und verschwinden.)

NEIN, DAS HERZ DARF NIEMAND DIR DURCHBOHREN,
AUCH WENN KEINER HERZEN BRACH WIE DU.
ACH, MEIN ARMER, ICH HAB DICH VERLOREN,
DAFÜR FINDEST DU JETZT ENDLICH RUH’.

(Sie holt ein Tuch aus der Küche und legt es über die Leiche.)

SCHLAF MEIN ALTER YOINE
JETZT BIN ICH ALLEINE…

(Dann geht sie seufzend ab.)

(Ein Kruzifix vor sich hertragend, kommt MAGDA von ihrer Kammer herunter. Sie geht zu dem Tisch, auf dem die Leiche liegt, zieht das Tuch zurück und beugt sich über CHAGAL.)

MUSIK: TOT ZU SEIN

Magda GLASIGE AUGEN.
HÄNDE WIE EIS.
ER IST SO KALT JETZT,
UND WAR DOCH MAL SO HEISS.
TOT ZU SEIN IST KOMISCH.

GESTERN SO POLTRIG,
HEUTE SO STILL.
GESTERN NOCH PRÄCHTIG,
HEUTE SCHON MÜLL.
TOT ZU SEIN IST KOMISCH
TOT ZU SEIN IST KOMISCH.

DIESES GRABSCHEN
UND SEIN GLOTZEN,
ALS ER LEBTE,
WAR ZUM KOTZEN.
DOCH ALS LEICHE
WIRKT ER JETZT
GANZ GESITTET UND GESETZT.

WENN ER MIR NAH KAM
NAHM ER MICH HER
JETZT KOMM ICH IHM NAH
UND WEHRLOS IST ER.
TOT ZU SEIN IST KOMISCH.
TOT ZU SEIN IST KOMISCH.

(Während die Musik untermalt den weiterspielt, zündet MAGDA eine Kerze an. CHAGAL bewegt sich. MAGDA hört etwas. Sie sieht sich um, um feststelle, ob ausser ihr noch jemand im Raum ist. CHAGAL hält sich ruhig.)

TOT ZU SEIN IST KOMISCH.
TOT ZU SEIN IST KOMISCH.

SEIN GESCHWÄTZ
UND SEIN BENEHMEN,
ALS ER LEBTE,
WAR ZU SCHÄMEN.
DOCH ALS LEICHE
RIECHT ER BLOSS,
SONST HÄLT ER SICH TADELLOS!

(CHAGAL richtet sich auf. Da MAGDA in eine andere Richtung sieht, bemerkt sie es zunächst nicht.)

ER WAR MIR LÄSTIG
IN MEINEM BETT.
JETZT DENK ICH PLÖTZLICH:
ER WAR DOCH GANZ…
AH… IIIH!

(MAGDA hat bemerkt, dass CHAGAL sich abgesetzt hat. Entsetzt greift sie nach dem Kruzifix und hält es CHAGAL entgegen.)

Chagal (kichern) Geh, was denn?! … Das wirkt nicht bei mir! … Ich bin ein jüdischer Vampir!

(CHAGAL packt MAGDA, die sich vor Schreck nicht bewegen kann. Er beisst sie in den Hals. Danach stösst er einen wolfsartigen Lustschrei aus und wischt sich genüsslich das Blut vom Mund. Erschreckt stellt er fest, dass MAGDA tot ist. Er hört Schritte. Um seine Tat zu verbergen, trägt er die Leiche zum dem Tisch, auf dem er zuvor selbst gelegen hat. Er deckt das Tuch über sie.)

(In diesem Moment kommen PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED in die Wirtsstube herunter. CHAGAL versteck sich unter dem Tisch.)

Abronsius (zu ALFRED) Tasche! …

(ALFRED öffnet nervös die mitgebrachte Tasche, der PROFESSOR ABRONSIUS den Hammer und einen scharf angespitzen Holzpflock entnimmt. PROFESSOR ABRONSIUS drückt ALFRED den Hammer in die Hand.)

Also, wann schlägst du zu?

Alfred Auf drei.

Abronsius Gut. Und wo ist das Herz?

Alfred Zwischen der sechsten und der siebenten…

Abronsius Nah? Rippe!

Alfred Rippe…

Abronsius Richtig! Komm!

(PROFESSOR ABRONSIUS beugt sich über die verdeckte Gestalt auf dem Tisch und tastet nach der richtigen Stelle, Zu seinem Erstaunen fühlt er einen weichen Busen. Er blickt ALFRED überrascht an. Dann zieht er das Tuch von MAGDAS Gesicht. Auf den ersten Blick sieht er die kleine Löcher das Vampirgebisses an ihrem Hals.)

Gebissen! Das war Chagal! Ich hatte Recht! Wir hätten ihm gleich den Pflock durchs Herz stossen müssen!

(Von Panik ergriffen verlässt CHAGAL sein Versteck und versucht zu fliehen. ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS jagen ihn. Schliesslich stellt ALFRED dem vorbeilaufenden CHAGAL ein Bein. CHAGAL stürzt zu Boden. PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED beugen sich über den auf dem Rücken liegenden CHAGAL. PROFESSOR ABRONSIUS setzt CHAGAL den Pflock auf die Brust.)

(in Fermate)

Eins, zwei, drei!

(Mit einem Blick fordert er ALFRED auf, mit dem Hammer auf den Pflock zu hauen. Doch ALFRED is wie gelähmt.)

Drei! … Drei!!

(CHAGAL benutzt den Aufschub dazu, um Gnade zu betteln.)

Chagal BITTE, EINZUHALTEN!
MIR DAS HERZ ZU SPALTEN,
WÄR BARBARISCH
ICH VERSPRECH,
ICH LEB VON JETZT AN
VEGETARISCH!

Alfred HERR PROFESSOR!

Chagal ICH BIN NUR EIN OPFER!

Alfred VIELLEICHT ZEIGT ER UNS DEN WEG ZU IHR.

Abronsius WELCHEN WEG ZU WEM?

Alfred ZU SEINER TOCHTER!

Chagal (greift eilfertig auf den Vorschlag auf) GUT. ICH GEHE VORAUS. SIE FOLGEN MIR.

Alfred SIE HÖREN ES. ER FÜHRT UNS HIN.
WIE GUT, DASS WIR IHN TRAFEN.
BESTIMMT ENTDECKEN WIR DURCH IHN
DAS SCHLOSS VON DIESEM GRAFEN.

(PROFESSOR ABRONSIUS lässt den Pflock sinken. CHAGAL bezeugt gestenrech Diensteifer.)

(Blackout.)

(Verwandlung.)

MUSIK: WILDNIS 1

(Durch die tiefverschneite Wildnis huscht CHAGAL, in einigem Abstand folgen PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED. Auf einmal ist CHAGAL spurlos verschwunden. PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED halten vergebens suchen nach ihm. In Hintergrund sieht man die Silhouette eines phantastischen Schlosses. PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED verschwinden hinter einem Hügel. Das vor Nebelschleiern in Schneeflocken umhüllt Schloss is plötzlich ganz nah. [Projection.])

(Lichtwechsel.)

(Verwandlung.)

Szene 10: Vor dem Schloss

(Inzwischen ist die Wolkendecke aufgerissen. Der Mond beleuchtet das riesige Tor und die Fassade von KROLOCKS Schloss. Man hört von den Balkon und Säulen des Zuschauerraums Stimmen.)

MUSIK: FINALE 1

Vampire SEID BEREIT.
ENDLICH EINMAL EIN BESUCH
MIT LEBENSART, ZWEI HERREN
MIT NIVEAU.

SEID BEREIT.
SONST TROTTELN NUR BAUERN
HER MIT DRECK AM HALS UND
DUMM WIE BOHNENSTROH.

SEID BEREIT.
ENDLICH EINE SCHICKE
ENTZÜCKENDE,
BEDRÜCKENDE
PERVERSITÄT.

SEID BEREIT.
IN KURZER ZEIT
ES GIBT’S WAS ZU BEISSEN
FÜR DEN ZAHN…
DER ZEIT.

(Aus der Zuschauerraum treten PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED auf. PROFESSOR ABRONSIUS betrachtet die Fassade. Er befiehlt ALFRED, durch das unter offene Gitter des äusseren Schlosstor zu kriechen. ALFRED ist gerade dabei, dies zu tun, als das Gitter hochfährt. Er schreckt zurück. Aus dem Schlosshof tritt GRAF VON KROLOCK auf.)

Graf Von Krolock WOHL DER NACHT,
DIE MIR DIE FREUDE MACHT,
BESUCHER HERZUFÜHR’N
MEINE HERREN,
ICH SEHE GÄSTE GERN,
SIE MÜSSEN SICH NICHT ZIER’N.

DIE FURCHT IST MEIN MANTEL,
DIE NACHT MEIN REVIER.
ICH BIN GRAF VON KROLOCK
DIESES SCHLOSS GEHÖRT MIR.

WOHL DER NACHT,
DIE UNS BEWAHRT DAVOR,
DAS HÄSSLICHE ZU SEH’N.
SIE RÜHRT SACHTE
AN DUNKLE TRÄUME
UND LÄSST TOTES
AUFERSTEH’N.
FOLGT MIR NACH
IN MEINE DUNKELHEIT,
UM NIE MEHR FORTZUGEH’N.

DENN WER SICH AUS FREIEN STÜCKEN ZU MIR GESELLT
SOLL ANTWORT ERHALTEN AUF FRAGEN
DIE ER NICHT STELLT.
ICH WEIHE EUCH EIN
INS MYSTERIUM MEINER WELT.

MÜDE VON DER EINSAMKEIT,
ERSEHNE ICH BESUCH.
ZUKUNFT IST VERGANGENHEIT
UND GEGENWART IST FLUCH.

ENDLOS IST DAS MEER DER ZEIT.
DOCH MAN KANN NUR AM UFER LEBEN.
VON DER KRANKHEIT DER TRAURIGKEIT
KANN ES KEINE ERLÖSUNG GEBEN.

(Um nicht den Argwohn des GRAFEN zu wecken, spielt PROFESSOR ABRONSIUS einen harmlosen Tourist, der sich für Architektur interessiert. Musik untermalt den folgenden Dialog.)

Abronsius Nichts für ungut, Exzellenz. Wir sind rein zufällig hier vorbeigekommen, und wollten nur eben einen Blick auf ihr prächtiges Anwesen werfen. Spätes 13. Jahrhundert, wenn ich nicht irre.

Graf Von Krolock Ah, ich sehe. Ein Mann von Bildung. Mit wem habe ich das Vergnügen?

(PROFESSOR ABRONSIUS überreicht GRAF VON KROLOCK seine Visitenkarte.)

Abronsius Pardon. Professor Abronsius aus Königsberg.

Graf Von Krolock Der Professor Abronsius?

Abronsius (geschmeichelt) Sie haben von mir gehört?

Graf Von Krolock ICH LAS IHR BUCH, »DIE FLEDERMAUS.«
GENIAL! ICH WAR GEFANGEN.

Abronsius DAS FREUT MICH, DENN BEI MIR ZUHAUS
WERD ICH MEIST ÜBERGANGEN.
LOGIK. LOGIK.
WER WÜRDIGT SCHON DIE LOGIK.

Graf Von Krolock SIE MÜSSEN MIR IHR BUCH SIGNIER’N.
UND LANGE, LANGE BLEIBEN.

Abronsius JA GERN. ICH KANN AUCH HIER STUDIER’N
UND FORSCHUNGEN BETREIBEN.

Graf Von Krolock WER IST DIESER JÜNGLING?
GEWISS EIN STUDENT.

Abronsius ALFRED, ER ASSISTIERT MIR.

Graf Von Krolock BRAV ALFRED. KOMPLIMENT.

(HERBERT tritt auf.)

DIES IST MEIN SOHN HERBERT.
ER FREUT SICH BESTIMMT.
IHR WERDET BALD FREUNDE SEIN.

(HERBERT ist offenbar fasziniert von ALFRED.)

Herbert ENDLICH JEMAND DER MIR
DIE LANGEWEILE NIMMT.

(HERBERT führt ALFRED durch das äussere Tor in den Schlosshof. PROFESSOR ABRONSIUS und GRAF VON KROLOCK folgen.)

(Von inneren Schlosshof führt ein Portal ins Schloss. Zwischen den offenen Türflügeln wartet KOUKOL mit einem Kerzenleuchter in der Hand.)

Graf Von Krolock Bitte mein herren! Treten sie ein. Fühlen sie sich ganz wie zuhause. Koukol!

(KOUKOL kommt zu GRAF VON KROLOCK gelaufen, der ihn einen braven Hund krault.)

(zu PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED)

Koukol wird sie auf ihr Zimmer führen.

(zu KOUKOL)

Muschniggi!

Abronsius Pardon, Exzellenz. Ich vergass, wie Spät es schon ist. Sie müssen müde sein.

Graf Von Krolock Ich bin ein Nachtvogel. Tagsüber nicht zu gebrauchen!

(Mit einer Verbeugen verabschiedet sich PROFESSOR ABRONSIUS von GRAF VON KROLOCK und verschwindet im Schloss. HERBERT ist nicht mehr zu sehen. ALFRED nimmt die Tasche und geht auf das Schlossportal zu, um dem PROFESSOR zu folgen. In diesem Moment hört er den GRAFEN seinen Namen rufen.)

Alfred, vermisst du nicht etwas?

(Erschrocken dreht ALFRED sich um. GRAF VON KROLOCK streckt die Hand aus, um ALFRED etwas zu zeigen.)

Alfred Mein Schwamm!

(ALFRED will nach dem Schwamm greifen, doch GRAF VON KROLOCK zieht die Hand zurück.)

Graf Von Krolock WER JUNG IST WIE DU UND INT’RESSIERT
BRAUCHT KEINEN SENILEN NARREN DER IHN KOMMANDIERT
UND ÜBERHAUPT NICHT VERSTEHT,
WAS DICH FASZINIERT

ICH WEISS WAS DU FÜHLST UND DENKST,
ICH KANN DEIN SEHNEN SPÜR’N.
WENN DU MIR DEIN VERTRAUEN SCHENKST,
DANN WERDE ICH DICH FÜHR’N.

(GRAF VON KROLOCK gibt ALFRED den Schwamm.)

VERTRAU MIR.
IM TRAUMLAND DER NACHT.
HERRSCHE ICH ALS MAGIER
DER WUNDER MÖGLICH MACHT.

SINK MIT MIR INS MEER DER ZEIT.
LERN VON MIR WAS ES HEISST ZU LEBEN.
SPÜR DAS GLÜCK DER TRAURIGKEIT.
FÜHL DIE WOLLUST DICH AUFZUGEBEN.

SUCH MIT MIR DEN SCHWARZEN GRAL.
ICH LEHR DICH WAS ES HEISST ZU LIEBEN.
LÖS DIE FESSELN DER MORAL
FOLGE DEINEN VERBORG’NEN TRIEBEN
DENN LIEBST DU DIESES LEBEN,
WIRD DEINE LIEBE LEBEN SEIN
UND DICH BEFREI’N!

(ALFRED geht durch das Portal in das Schloss und verschwindet. GRAF VON KROLOCK folgt. Während sich das Portal hinter ihm schliesst, dreht er sich noch einmal um. In seinem Blick liegt Triumph. Mit dumpfen Dröhnen schliesst sich die Tür.)

(Blackout. Vorhang.)

Ende des ernsten Aktes

2. Akt

Szene 1: Ahnengalerie

(In derselben Nacht, später. SARAH hat ihr Zimmer verlassen. Langsam kommt sie die Treppe herunter; die in die Halle von GRAF VON KROLOCKS Schloss führt. An den Wänden hängt die gräfliche Ahnengalerie. SARAH bewegt sich wie in Trance. Aus dem Nirgendwo hört man die VAMPIRE singen.)

MUSIK: LIEBESDUETT

Ahnen GLÄNZENDE AUGEN.
GLÄNZENDES HAAR
SCHLAFLOS VOR NEUGIER,
UND BLIND FÜR DIE GEFAHR.
BLUTROT.
LIPPEN UND WANGEN,
HAUTWEICH WIE SAMT.
JUNG, SCHÖN UND WEIBLICH,
VERDERBLICH UND VERDAMMT.
STERBLICH! …

(Die AHNEN auf den Porträts an den Wänden werden lebendig. Raunend singen sie…)

SEI BEREIT!

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT
FÜHL ICH MICH EINSAM UND TRAURIG,
DOCH ICH WEISS NICHT WAS MIR FEHLT.

Ahnen SEI BEREIT!

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT
HAB ICH PHANTASTISCHE TRÄUME.
ABER WENN ICH AUFWACH,
QUÄLT MICH DIE ANGST.

Ahnen SEI BEREIT!

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT
LIEG ICH IM DUNKELN UND WARTE.
DOCH WORAUF ICH WARTE IST MIR NICHT KLAR.

Ahnen SEI BEREIT!

(Auf der anderen Seite der Halle erscheint die dunkle Gestalt des GRAF VON KROLOCK auf den obersten Stufen der Wendeltreppe. SARAH sieht ihn zunächst nicht.)

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT
SPÜR ICH DIE UNWIDERSTEHLICHE
VERSUCHUNG EINER DUNKELN GEFAHR.

Graf Von Krolock und Ahnen SEI BEREIT STERNKIND!

Sarah ICH HÖR EINE STIMME, DIE MICH RUFT.

Graf Von Krolock und Ahnen SEI BEREIT STERNKIND!

Sarah ICH SPÜR EINE SEHNSUCHT, DIE MICH SUCHT.

(Sie dreht sich um und sieht GRAF VON KROLOCK langsam die Treppe hinunter.)

Graf Von Krolock SICH VERLIER’N HEISST SICH BEFREI’N.
DU WIRST DICH IN MIR ERKENNEN.
WAS DU ERTRÄUMST, WIRD WAHRHEIT SEIN.
NICHTS UND NIEMAND KANN UNS TRENNEN.
TAUCH MIT MIR IN DIE DUNKELHEIT EIN!
ZWISCHEN ABGRUND UND SCHEIN
VERBRENNEN WIR DIE ZWEIFEL UND VERGESSEN DIE ZEIT.
ICH HÜLL DICH EIN IN MEINEN SCHATTEN
UND TRAG DICH WEIT.
DU BIST DAS WUNDER, DAS MIT
DER WIRKLICHKEIT VERSÖHNT.

Sarah MEIN HERZ IST DYNAMIT,
DAS EINEN FUNKEN ERSEHNT.

Sarah und Graf Von Krolock ICH BIN ZUM LEBEN ERWACHT!
DIE EWIGKEIT BEGINNT HEUT NACHT.
DIE EWIGKEIT BEGINNT…

Graf Von Krolock …HEUT NACHT.

Sarah ICH HAB MICH GESEHNT DANACH
MEIN HERZ ZU VERLIER’N.
JETZT VERLIER’ ICH FAST DEN VERSTAND.
TOTALE FINSTERNIS.
EIN MEER VON GEFÜHL UND KEIN LAND.
EINMAL, DACHTE ICH, BRICHT LIEBE DEN BANN.
JETZT ZERBRICHT SIE GLEICH MEINE WELT.
TOTALE FINSTERNIS,
ICH FALLE, UND NICHTS WAS MICH HÄLT.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT.

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT
DENK ICH, ICH SOLLTE LIEBER FLIEH’N
VOR DIR SOLANG ICH ES NOCH KANN.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT.

Sarah DOCH RUFST DU NACH MIR,
BIN ICH BEREIT, DIR BLIND ZU FOLGEN.
SELBST ZUR HÖLLE WÜRD ICH FAHREN
MIT DIR.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT.

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT GEBE ICH
MEIN LEBEN HERE FÜR EINEN AUGENBLICK,
IN DEM ICH DIR GANZ GEHÖR.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT.

Sarah MANCHMAL IN DER NACHT MÖCHT ICH
SO SEIN, WIE DU MICH HABEN WILLST
UND WENN ICH MICH SELBER ZERSTÖR.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT STERNKIND!

Sarah ICH HÖR EINE STIMME, DIE MICH RUFT.

Ahnen und Graf Von Krolock SEI BEREIT STERNKIND!

Sarah ICH SPÜR EINE SEHNSUCHT, DIE MICH SUCHT.

Sarah und Graf Von Krolock SICH VERLIER’N, HEISST SICH BEFREI’N.
ICH WILL / DU WIRST DICH IN DIR / MIR ERKENNEN.
WAS ICH ERTRÄUM / DU ERTRÄUMST, WIRD WAHRHEIT SEIN.
NICHTS UND NIEMAND KANN UNS TRENNEN,
TAUCH MIT MIR IN DIE DUNKELHEIT EIN!
ZWISCHEN ABGRUND UND SCHEIN
VERBRENNEN WIR DIE ZWEIFEL UND VERGESSEN DIE ZEIT
DU HÜLLST MICH / ICH HÜLL DICH EIN IN
DEINEM / MEINEN SCHATTEN
TRÄGST MICH / UND TRAG DICH WEIT.

Graf Von Krolock DU BIST DAS WUNDER, DAS MIT
DER WIRKLICHKEIT VERSÖHNT.

Sarah MEIN HERZ IST DYNAMIT,
DAS EINEN FUNKEN ERSEHNT.

Sarah und Graf Von Krolock ICH BIN ZUM LEBEN ERWACHT.
DIE EWIGKEIT BEGINNT HEUT NACHT.
DIE EWIGKEIT BEGINNT…

Graf Von Krolock …HEUT NACHT.

Sarah ICH HAB MICH GESEHNT DANACH,
MEIN HERZ ZU VERLIER’N.
JETZT VERLIER’ ICH FAST DEN VERSTAND.

Sarah und Graf Von Krolock TOTALE FINSTERNIS.
EIN MEER VON GEFÜHL UND KEIN LAND.

Sarah EINMAL, DACHTE ICH,
BRICHT LIEBE DEN BANN

Graf Von Krolock JETZT ZERBRICHT SIE
GLEICH DEINE WELT.

Sarah und Graf Von Krolock TOTALE FINSTERNIS,
WIR FALLEN, UND NICHTS WAS UNS HÄLT.

Sarah TOTALE FINSTERNIS.
EIN MEER VON GEFÜHL UND KEIN LAND.
TOTALE FINSTERNIS.
ICH GLAUB, ICH VERLIER’ DEN VERSTAND.

(GRAF VON KROLOCK is einen Moment lang versucht, SARAH in den Hals zu beissen, besinnt sich dann und schiebt sie sanft zurück.)

Graf Von Krolock NEIN, ES WÄR VERKEHRT,
DEN KOPF ZU VERLIER’N,
WIR WOLLEN NICHT VOR DER ZEIT
DEN GENUSS RUINIEREN.
MIT JEDER
STUNDE DES WARTENS
WIRD DIE LUST MEHR ENTFACHT.
ICH LASS DICH FÜHLEN, WAS
DICH UNSTERBLICH MACHT.
WENN WIR ZWEI TANZEN
AUF DEM BALL MORGEN NACHT.

(Alles Licht konzentriert sich auf GRAF VON KROLOCK und SARAH, bis es plötzlich verlöscht.)

Szene 2: Der Alptraum

(Auf der kaum erleuchteten Bühne sehen wir ein riesiges Himmelbett stehen. PROFESSOR ABRONSIUS schläft friedlich schnarchend auf der einen seite. Auf der anderen wirft ALFRED unruhig hin und her. Aus dem Nirgendwo klingt eine unwirkliche STIMME.)

MUSIK: CARPE NOCTEM

Stimme (hinter der Bühne) FOLG MIR NACH, VERTRAU DER NACHT!
SIE NUR KANN DEINE SEELE RETTEN.
FLUCH DEM TAG UND SEINER MACHT.
LÖS DIE SEHNSUCHT VON ALLEN KETTEN.

FOLG MIR NACH, KOMM, FÜHL DIE NACHT!
WIRKLICH IST NUR, WORAN WIR GLAUBEN.
FLIEH VOR DEM WAS DICH BEWACHT.
LASS DIR NICHT DEINE TRÄUME RAUBEN.

(ALFRED quält ein Alptraum, der sich zusehends materialisiert: Von überallher kommen VAMPIRE. Sie kriechen über das Dach des Bettes, schleichen aus den Ecken, schweben von der Decke.)

Vampire ÜBER GRÄBER UND RUINEN
WERDEN TODESGLOCKEN HALL’N.
UND ALLE TEUFEL STEIGEN HINAUF.
UND ALLE ENGELN MÜSSEN FALL’N.

WIR SIND HUNGRIG AUF VERBRECHEN.
WIR SEHNEN UNS NACH BLUT.
WIR LEBEN NUR FÜR UNS’RE GIER
UND NÄHREN MIT GIFT UNS’RE BRUT.

DIE WELT IM TAGESLICHT
HAT KEINEN JEMALS GLÜCKLICH GEMACHT.
D’RUM TAUCH INS MEER DES NICHTS,
WO’S IMMER DUNKEL IST UND KÜHL.
UND WENN DU VON DER DUNKELHEIT
BETRUNKEN BIST, DANN FÜHL,
FÜHL DIE NACHT.

Vampire Gruppe 1 FÜHL DIE NACHT!

Vampire Gruppe 2 DIES IRAE, KYRIE. LIBERA ME, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. REQUIEM DA, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. LIBERA ME, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. REQUIEM DA, DOMINE!

* DIES IRAE, KYRIE. LIBERA ME, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. REQUIEM DA, DOMINE!
EXULTATE KYRIE! PIE AGNE, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. SANCTUS, SANCTUS EXULTATE!

DIES IRAE, KYRIE. LIBERA ME, DOMINE!
DIES IRAE, KYRIE. REQUIEM DA, DOMINE!

Vampire Gruppe 1 (gleichzeitig, von *) FÜHL DIE NACHT,
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
SCHLIESS DEINE AUGEN, UM ZU SEH’N.

FÜHL DIE NACHT,
WAS DIR BESTIMMT IST, MUSS GESCHEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.

FÜHL DIE NACHT!

FÜHL DIE NACHT!

Vampire Gruppe 1 FÜHL DIE NACHT! SEID FREI!

(Die folgende Tanzsequenz stellt die Initiation von SARAHS Ebenbild dar. Ein eindrucksvoll agierender ADJUTANTES des GRAFEN umwirbt und entführt sie. ALFRED wird selbst in seinen Alptraum hineingezogen. Er will eingreifen, doch kann die vermeintliche SARAH nicht erreichen.)

VAMPIRE AUS DEN GRÄBERN UND RUINEN
WERDEN TOTE AUFERSTEH’N.
UND ALLE ÄNGSTE WERDEN WAHR.
UND ALLE HOFFNUNG MUSS VERGEH’N.

UNS’RE ORDNUNG IST DAS CHAOS.
VERÄNDERN HEISST ZERSTÖR’N.
WIR WOLLEN LEBEN FÜR DIE GIER
UND ZU DEN RAUBTIER’N GEHÖR’N.

DIE WELT IM TAGESLICHT
HAT KEINEN JEMALS GLÜCKLICH GEMACHT.
D’RUM TAUCH INS MEER DES NICHTS,
WO’S IMMER DUNKEL IST UND KÜHL.
UND WENN DU VON DER DUNKELHEIT
BETRUNKEN BIST, DANN FÜHL,
FÜHL DIE NACHT.

Vampire Gruppe 1 FÜHL DIE NACHT!

(ALFRED taumelt zum Bett zurück und legt sich wieder hin.)

Vampire Gruppe 2 CARPE NOCTEM, LAMIA! DECET DIEM EXSECRARE.
SANGUIM SUGE, BELUA! DEBET PRAVUM EXSEQUARE.
INQUIEM PERPETUUM DONA NOBIS, SATANAS.
BESTIA DIABOLI, DONA NOBIS DAMNATIONEM.

* CARPE NOCTEM, LAMIA! DECET DIEM EXSECRARE.
SANGUIM SUGE, BELUA! DEBET PRAVUM EXSEQUARE.
INQUIEM PERPETUUM DONA NOBIS, SATANAS.
BESTIA DIABOLI, DONA NOBIS DAMNATIONEM.

SANGUIM SUGE, BELUA! DEBET PRAVUM EXSEQUARE.
CARPE NOCTEM, LAMIA! DECET DIEM EXSECRARE.

SANGUIM SUGE, BELUA! DEBET PRAVUM EXSEQUARE.
CARPE NOCTEM, LAMIA! DECET DIEM EXSECRARE.

Vampire Gruppe 1 (gleichzeitig, von *) FÜHL DIE NACHT,
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
SCHLIESS DEINE AUGEN, UM ZU SEH’N.

FÜHL DIE NACHT,
WAS DIR BESTIMMT IST, MUSS GESCHEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.

FÜHL DIE NACHT,
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
SCHLIESS DEINE AUGEN, UM ZU SEH’N.

FÜHL DIE NACHT,
WAS DIR BESTIMMT IST, MUSS GESCHEH’N.
FÜHL DIE NACHT.
UND LASS SIE NIE VORÜBERGEH’N.

Vampire Gruppe 3 (gleichzeitig, von †) CARPE NOCTEM! CARPE NOCTEM!
CARPE NOCTEM! CARPE NOCTEM!
CARPE NOCTEM! CARPE NOCTEM!
CARPE NOCTEM! CARPE NOCTEM!

VAMPIRE FOLG MIR NACH VERTRAU DER NACHT!
SIE NUR KANN DEINE SEELE RETTEN
FLUCH DEM TAG UND SEINER MACHT!
LÖS DIE SEHNSUCHT VON ALLEN KETTEN

FOLG MIR NACH, KOMM FÜHL DIE NACHT.
WIRKLICH IST NUR, WORAN WIR GLAUBEN
FLIEH VOR DEM WAS DICH BEWACHT,
LASS DIR NICHT DEINE TRÄUME RAUBEN

(Die Tür zum Schlafzimmer öffnet sich. Ein Hahn kräht. Eine Turmuhr schlägt. Die Musik endet. Die VAMPIRE verschwinden. Verwandlung.)

Szene 3: Schlafzimmer im Schloss

(KOUKOL schlurft, einen Frühstückswagen vor sich herschiebend, in das Zimmer. Er öffnet den schweren Vorhang vor dem Fenster. Licht flutet herein. ALFRED erwacht. Benommen von seinem Alptraum richtet er sich auf, ohne KOUKOL zu bemerken. PROFESSOR ABRONSIUS schläft noch fest.)

MUSIK: EIN GUTER TAG

Alfred EIN BÖSER TRAUM, EIN SCHLIMMER TRAUM
EIN GLÜCK, DASS ES NICHT WAHR IST.
DAS GUTE SIEGT! ICH ZWEIFLE KAUM
AUCH WENN MIR NOCH NICHT KLAR IST

WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN?
WIE UND WAS UND WER UND WO UND WANN?

ER SPRACH VON IHR
ALSO IST SIE HIER.
HEUTE ODER NIE
FINDE ICH ZU IHR.

(ALFRED schliesst noch einmal die Augen und denkt an SARAH.)

HEUTE SCHEINT MIR HALB SO SCHWER
WAS MICH GESTERN NOCH MUTLOS MACHTE.
DENN ICH FÜHLE MEHR UND MEHR.
IHRE NÄHE SEIT ICH ERWACHTE.

(ALFRED betrachtet das Frühstückstablett. Er stellt sich vor, dass SARAH im Zimmer ist.)

WIE KOMMT DIESES FRÜHSTÜCK HER?
KANN ES SEIN, DASS ES SARAH BRACHTE?
JEMAND KAM, OH JA ICH HÖR…

(Als er sich umdreht und die Augen öffnet, steht KOUKOL direkt vor ihm.)

Koukol Urggh!

Alfred (entsetzt) Hah!

(KOUKOL wirft ALFRED einen verächtlichen Blick zu, spuckt aus und verschwindet.)

(PROFESSOR ABRONSIUS ist aufgewacht. Im Nachthemd, das wirre Haar unter einer Nachthaube, setzt er sich auf und streckt, dehnt und kratzt sich. Offensichtlich hat er hervorragend geschlafen. Er fordert ALFRED mit einer Gest auf, ihm das Frühstück zu servieren, was dieser macht.)

Abronsius EIN WEICHES BETT, EIN RUHIGES HEIM
ERFRISCHEN GEIST UND GLIEDER.
EIN TÄSSCHEN TEE, EIN HAFERSCHLEIM
UND SCHON ERFÜLLT MICH WIEDER

LOGIK, LOGIK
UND DRANG ZUR PÄDAGOGIK.

(PROFESSOR ABRONSIUS schlürft seinen Tee. ALFRED steht neben dem Bett und löffelt im Stehen seien Haferbrei.)

Alfred Herr Professor, er hat gesagt: »Folge deinen verborgenen Trieben.« Sarah muss hier irgendwo im Schloss sein!

Abronsius Ganz schön abgebrüht der Bursche.

Alfred Wer?

Abronsius Der Graf. Will uns wohl vergackeiern.

Alfred Der Graf?

Abronsius Hätte beinahe sein Inkognito verraten…

ER NANNTE SICH »NACHTVOGEL«
UND NUTZLOS BEI TAG.
BLEIBT NUR NOCH DIE FRAGE:
WO IST SEIN SARKOPHAG?

Alfred (verschluckt sich vor Schreck) Sein Sarkophag?

Abronsius Der Sarg, in dem er tagsüber liegt.

Alfred Sie meinen… in einem Grab?

Abronsius Nicht in einem Grab, Junge. Ein Graf ruht in einer Gruft… Jedes Schloss hat eine! Und wir wollen uns gleich auf die Suche danach machen.

Alfred Jetz gleich?

Abronsius Selbstverständlich gleich. Der Tag ist wie geschaffen zum Gruft suchen.

(ABRONSIUS springt auf und veranlasst ALFRED, die Exkursion vorbereiten.)

ALLES WIRD GUT.
HEUTE IST EIN PERFEKTER TAG

Alfred AN DEM MAN TUT,
WAS NUR HELDEN GELINGEN MAG.

Abronsius AN EINEM TAG WIE HEUTE
GEHT MAN DURCH FEUER.

Beide MANN FINDET GOLD
UND BESIEGT UNGEHEUER.

Abronsius Moment. So eine Gruft suche muss strategisch klug geplant sein!

Alfred Ja, Herr Professor. Aber wir solten nichts übereilen.

Abronsius Ja. Vor allem brauchen wir das richtige Werkzeug. Pack du die Tasche, ich gehe schon mal vor und erkundige die Lage!

(PROFESSOR verlässt grummelnd das Schlafzimmer, während ALFRED eifrig die Tasche mit Hammer und Pfahl füllt. Er hällt dann eine Weile inne als er den Schwamm findet und verfällt in Gedanken an SARAH. Dabei lässt er sich auf dem Bett nieder.)

MUSIC 20: FÜR SARAH

Alfred AUS DEM SCHWEIGEN DER NACHT
STEIGEN DUNKLE VISIONEN.
DOCH ICH BLEIB
BEI SARAH.
JEDER ALPTRAUM ERWACHT.
SCHATTEN WERDEN ZU DÄMONEN.
ÜBERALL DROHT GEFAHR.

ICH HALT DURCH, ICH HALT AUS.
ICH WILL TUN WAS ICH TUN MUSS, DENN ICH TU ES
FÜR SARAH.
UNBEIRRT GRADEAUS
GEHE ICH INS NIRGENDWO,
WEIL ICH SIE LIEBE.

SO VIEL SEHNSUCHT IN MIR!
ICH WILL WIEDER NACH HAUS. DOCH ICH GEHÖR
ZU SARAH.
UND BIN ICH NEBEN IHR,
SIND DIE ÄNGSTE ILLUSIONEN.
NUR GEFÜHLE SIND WAHR.

(steht auf)

ICH BIN STARK, ICH BIN HART.
ICH WILL SEIN WAS ICH SEIN MUSS, DENN ICH BINS
FÜR SARAH.
UND WIE LANG ICH AUCH WART
IRGENDWANN UND IRGENDWO
SIND WIR GEBORGEN.

(Er will gehen und dreht sich dann aber zurück zum Publikum.)

ICH BIN RUHIG, ICH BIN KALT.
ICH BESIEGE MICH SELBER
DEINETWEGEN, SARAH.
ICH WEICH KEINER GEWALT.
HAB VERTRAUEN IN MICH,
SARAH, ICH BLEIBE DIR NAH.

ICH HAB KRAFT, ICH HAB MUT.
UND WAS IMMER ICH HABE, HAB ICH NUR
FÜR SARAH…
FÜR DICH GEB ICH MEIN BLUT.
ALLES, ALLES WILL ICH TUN,
WEIL ICH DICH LIEBE,
SARAH…

(Blackout.)

MUSIK: NEW END “EIN GUTER TAG”

(Die Musik spielt während der Verwandlung untermalend weiter. Der fröhliche Klang der Melodie wird zunehmend unheimlich, da er sich in den Gewölbe des Schlosses mit einem dumpfen Echo vermischt.)

Szene 4: Der Gruft

(KOUKOL schiebt einen Fichtensarg in die Gruft, zu der PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED hinabsteigen über Brücken und Stege.)

MUSIK: DIE GRUFT

Abronsius AN SO EINEM TAG

Alfred AN SO EINEM TAG

Abronsius …ERKLÄRTE NEWTON DIE PHYSIK.
AN SO EINEM TAG

Alfred AN SO EINEM TAG

Abronsius …SCHRIEB MOZART SEINE NACHTMUSIK.

Alfred AN SO EINEM TAG

Abronsius …KAM MIT EINEM SCHLAG
COLUMBUS AUF DEN EIERTRICK.

Alfred UND IKARUS DACHTE
ER KÖNNTE FLIEGEN.

Abronsius UND DANIEL IST IN DIE GRUBE GESTIEGEN.

Alfred WÄRE ES IN DIESEM KELLER
NUR EIN WENIG HELLER
FOLGTE ICH VOLL ZUVERSICHT
MEINER PFLICHT
WÄR’ DIE GRUFT NICHT SO ABSCHEULICH
UND DER DUFT NICHT GREULICH’,
WÄR’ ICH UNERSCHÜTTERLICH.
ABER SO GEB ICH ZU
ICH FÜRCHTE MICH,

Abronsius DA UNTEN, DA STEH’N
NICHT ZU ÜBERSEH’N
DIE ZIELE UNSERER MISSION.
WIE ICH ES ERSEH’N
HIER RUNTER ZU GEH’N
ZUM ZWECK GENAUER INSPEKTION.

Alfred WAS MUSS JETZT GESCHEH’N?

Abronsius WAS MUSS JETZT GESCHEH’N?

Abronsius und Alfred AKTION GEMÄSS DER INSTRUKTION.

Alfred WIR SOLLTEN ES ÜBEN
UND ES VERSCHIEBEN

Abronsius DIES IST DIE STUNDE.
JETZT ODER NIE!

(Sie haben die Gruft erreicht. Von einer Ballustrade sehen sie hinunter. Zwei Prunksärge stehen auf Podesten. Auf dem Boden daneben befindet sich ein gros gezimmerter Fichtensarg.)

Pst! – Wunderbar… wir klettern jetzt da herunter.

Alfred Da herunter?

Abronsius Selbstverständlich! Schnurstracks… Du zuerst.

Alfred Was? Ich?

Abronsius Ja! Tasche!

Alfred Tasche.

Abronsius Runter!

Alfred Runter?

Abronsius Runter!

(ALFRED klettert in die Gruft. PROFESSOR ABRONSIUS wirft die Tasche hinunter. Sie schlägt dröhnend auf dem Steinboden auf.)

Psst. Willst du, dass der Bucklige uns hört? Still da unten! Achtung, jetzt komm ich!

(PROFESSOR ABRONSIUS will in die Tiefe springen. ALFRED will ihn abhalten.)

Alfred Was? Nein, nein! Professor! Halt! Halt!

(Bei dem Versuch zu springen, verhakt sich PROFESSOR ABRONSIUS im Geländer.)

Abronsius Ah! Ich häng fest! Na, so hilf mir doch, mein Junge!

(ALFRED bekommt den Fuss von PROFESSOR ABRONSIUS zu fassen. Er versucht, PROFESSOR ABRONSIUS zu befreien, indem er an ihm zerrt. Dabei zieht er ihm aber nur den Schuh aus. Die Musik untermalt und illustriert das Keuchen und Stöhnen der Beiden. Schliesslich gibt ALFRED auf. Die Untermalungmusik geht weiter.)

Aber doch nicht so! So geht es nicht! Du wirst es allein machen müssen.

Alfred (in Panik) Was? Allein?

Abronsius Ja. Stell dich nicht so an! Du musst ihnen die Herzen durchstossen.

Alfred Die Herzen durchstossen? Nein, Professor! Bitte… alles, aber das nicht!

Abronsius Sei kein Waschlappen! Öffne die Särge!

Alfred Die Särge?

Abronsius Denk an Chagals Tochter. Den Deckel weg!

(ALFRED öffnet den ersten der Särge, doch mit abgewendeten Augen.)

Und, wer liegt drin?

(ALFRED wagt einen Blick in den Sarkophag.)

Alfred Seine Exzellenz.

Abronsius Gut. Jetzt der Andere.

(ALFRED deckt den zweiten Sarkophag ab. Er sieht hinein.)

Wer ist es?

Alfred Der Sohn.

Abronsius Schnell zur Tasche! Nimm den Hammer und einen Pflock raus! Brav! Zuerst schnell rauf zum Grafen! … Jetzt setzt du den Pflock…

Alfred (mechanisch) …zwischen die sechste und die siebente…

Abronsius Rippe. Richtig. Beeil dich!

(Mit geschlossenen Augen hält ALFRED den Pflock über den offenen Sarg – mit den Spitze nach oben.)

Aber doch nicht so. Pass doch auf, du Dummkopf! Andersrum! Los jetzt!! Eins… zwei… drei.

(ALFRED dreht den Pflock um, setzt ihn auf und hebt den Hammer. Aber er bringt es nicht über sich zuzuschlagen.)

Zum Donnerwetter! Drei! Drei!

(PROFESSOR ABRONSIUS erregt sich vergebens. ALFRED lässt den Hammer zu Boden fallen.)

Alfred Ich kann nicht.

Abronsius Meuterei! Schämst du dich nicht?

Alfred Doch, schon. Aber ich kann trotzdem nicht. Professor?

Abronsius Barmherziger! Es hat keinen Sinn mit dir. Komm wieder rauf. Sapperlot! Alles muss man selber machen.

(Erleichert setzt ALFRED Pflock und Hammer in die Tasche und klettert flink die Mauer hinauf, während der PROFESSOR vor sich hin brabbelt.)

Ein Jammer ist das mit der heutigen Jugend! Kein Mumm mehr in den Knochen. Lasch und verweichlicht. Nicht mehr in der Lage, sich am Riemen zu reissen, wenn es ums Ganze geht. Komm rauf und zieh mich wieder hoch. Trödel nicht! Träumst du schon wieder, oder was? Glaubst du es macht Spass, hier ewig rumzuhängen? Also, eins muss ich dir schon sagen, mein Junge, in der Theorie bist du recht brav. Aber in der Praxis hapert’s noch gewaltig. Hilf mir wenigstens hoch, du Lümmel!

(Im Nu hat ALFRED den PROFESSOR befreit.)

Kehrt, marsch, marsch! Du musst noch sehr viel lernen, bis du einmal in meine Fussstapfen treten kannst. Das war heute eher eine Blamage…

Alfred Tut mir leit, Professor.

(Beide gehen ab.)

(Einen Moment lang ist es still. Dann hören wir ein Geräusch aus dem Innern des Fichtensargs. Der Deckel bewegt sich und wird von innen weggeschoben. Aus der Sarg kriecht CHAGAL. Er reckt und streckt sich. Dann klopft er mit der flachen Hand gegen das Holz.)

Chagal Poch - poch - poch - poch (Schläge gegen den Sarg) SCHLUSS JETZT MIT DEM SCHLUMMER!
Poch - poch - poch - poch (Schläge gegen den Sarg)

(Als er ein zweites mal gegen das Holz haut, diesmal mit den Stiefeln, taucht MAGDA aus dem Sarg auf, mit zerwühlten Haaren und sehr verschlafen.)

Magda WAS SOLL DAS GEBUMMER?

Chagal Hast du den Ball vergessen? Zeit zum Aufsteh’n.

Magda Den Ball? Vergiss es! Da kommst du nicht rein!

Chagal Wieso?

Magda Gesichtskontrolle!

Chagal Nebbich! Dann schlafen wir noch eine runde zusammen.

(Lüstern kichern leckt sich CHAGAL die Lippen.)

Magda Du solltest dich was schämen, Chagal!

Chagal Ich? Warum?

Magda Mir in den Hals beissen. Mein Blut saugen.

Chagal Na und?

WARUM SOLL ICH DENN DEIN BLUT NICHT SAUGEN?
AND’RE SAUGEN SCHLIESSLICH AUCH AN MIR.
OB MIT ZÄHNEN ODER ENGELSAUGEN,
JEDER MENSCH IST NUR EIN SÄUGETIER.

WAS FAST JEDER TUT IST DOCH KEIN LASTER.
WER MAL BLUT GELECKT HAT, MÖCHTE MEHR.
MEHR VERGNÜGEN, MEHR ERFOLG, MEHR ZASTER.
STETS IST JEDER HINTER JEDEM HER.

WER NICHT ZERSCHLISSEN WERDEN WILL
DER LERNT SICH DURCH ZU BEISSEN.
WER NICHT BESCHISSEN WERDEN WILL
MUSS ANDERE BESCHEISSEN.
DARUM SAUG DIR MUT AN.
ETWAS FRISCHES BLUT KANN
DIR NICHT SCHADEN,
MIR NICHT SCHADEN.
SAUG DICH SATT
ANSTATT ZU KLAGEN.

(MAGDA fällt aus dem Sarg. Von dem Lärm alarmiert, erscheint KOUKOL in der Gruft.)

Magda ALS ICH NOCH LEBTE,
FAND ICH DICH FIES.
DOCH SEIT DU AN MIR SAUGST,
FIND ICH DICH BEINAH SÜSS.
GEIL ZU SEIN IST KOMISCH.
GEIL ZU SEIN IST KOMISCH.

DEIN GEZERR’
AN MEINEM MIEDER
UND DEINE GIER WAR’N
MIR ZU WIEDER.
JETZT ERSEH’N
ICH DEINEN KUSS.
DREIMAL TÄGLICH IST EIN MUSS.

(KOUKOL hat zunächst die Prunksärge geschlossen. Jetzt wendet er sich CHAGAL und MAGDA zu.)

Chagal WAS IST DABEI?
JEDER SAUGT JEDEN AUS,
DAS IST DAS
GESETZ DIESER WELT.
JEDER NIMMT SICH
VON JEDEM DAS,
WAS IHM NÜTZT UND GEFÄLLT
WENN ES KEIN BLUT IST,
IST ES LIEBE
ODER GELD.

(KOUKOL hat inzwischen MAGDA und CHAGAL wieder in ihren Sarg zurückgedacht. KOUKOL schiebt den Sarg weg. Um Ruhe zu schaffen, haut er auf den Deckel. Trotz der sich, KOUKOL summt CHAGAL und MAGDA Melodie. Doch aus dem Innern hört man sie weitersingen…)

Magda und Chagal (gedämpft) JEDER NIMMT SICH
VON JEDEM DAS
WAS IHM NÜTZT UND GEFÄLLT
WENN ES KEIN BLUT IST,
IST ES LIEBE
ODER GELD.

(KOUKOL wird zornig. Ein Fusstritt gegen das Holz lässt den Gesang endlich verstummen. Brummend schiebt er den Sarg aus der Gruft.)

(Er wirst dunkel. Verwandlung.)

Szene 5: In der Bibliothek

(Am selben Tag, etwas später. PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED haben die Schlossbibliothek entdeckt. PROFESSOR ABRONSIUS ist berauscht von der Bücherschätzen, die er mit Kennerblick inspiziert.)

MUSIK: BÜCHER

Abronsius BÜCHER, BÜCHER!
HUNDERTTAUSEND BÜCHER!

Alfred Aber Professor! Professor! Wir müssen Sarah finden.

Abronsius ARISTOTELES, EMPEDOKLES,
AENEAS, PARMENIDES,
UND NIKOMACHOS, DIOGENES,
ANTIOCHOS, MAIMONIDES.
SCHON BEIM RIECHEN
SPÜR’N WIR DIE WEISHEIT DER GRIECHEN.

Alfred Sie wartet hier irgendwo…

Abronsius MARC AUREL UND AUGUSTINUS,
TACITUS, TIBULL UND PLATO,
PEREGRINUS UND AQUINUS,
CAESAR, CICERO UND CATO.
SCHON BEIM TASTEN
WIRD MAN ZUM ENTHUSIASTEN.

Alfred Er hält sie gefangen…

Abronsius BEI KANT KANN SICH DER MÜDE
GEIST AM REINEN DENKEN LABEN.
ABER WENN DER AUTOR HEGEL HEISST,
HÖRT MAN DEN WELTGEIST TRABEN.
DEUTSCHER TIEFSINN AUF PAPIER GEDRUCKT.
UND ALLES ERSTAUSGABEN!
NUR ERBAULICHES, WOHIN MAN GUCKT.
EIN LEBEN OHNE BÜCHER WÄR TORTUR!

Alfred Wir haben nicht viel Zeit.

Abronsius SPINOZA UND KOPERNIKUS
UND ALLE HUMANISTEN.
PARACELSUS, LEIBNIZ, CRUSIUS,
DIE FRÜHEN OCCULTISTEN
HUME UND LOCKE UND HOBBES UND MENDELSSOHN,
MORAL- UND KAUSALISTEN
UND DESCARTES, MONTAIGNE UND HAMILTON
UND ANDERE ERFORSCHER DER NATUR.

Alfred Es wird bald dunkel werden…

(Irgendwo im Schloss sing SARAH. Doch PROFESSOR ABRONSIUS ist bereits im Inneren der Bibliothek verschwunden.)

Abronsius (in der Bibliothek verschwindend) * WILLIAM SHAKESPEARE, HUMBOLD, ECKEHART,
MOLIERE UND MACCHIAVELLI
UND ERASMUS, SCHELLING, KIERKEGARD,
HANS SACHS UND MARY SHELLEY.
LA FONTAINE, TAGORE, PLINIUS,
DA GAMA, BOTTICELLI.
HERDER, MARLOWE, POE UND LIVIUS.
IN LEDER, LEINE, PAPPE UND BROSCHUR.

Sarahs Stimme (auf *) AH-AH-AH…

AH-AH-AH…

(ALFRED lauscht.)

(Dann eilt er davon. Die Musik spielt untermalt den weiter.)

(Verwandlung.)

Szene 6: Badezimmer im Schloss

(Der Stimme nach gehend gelangt ALFRED in ein prächtiges Badezimmer. Ein vorhang verdeckt den Blick auf die Badewanne. Über einem Stuhl hängt ein glänzendes Ballkleid.)

Sahras Stimme AH-AH-AH…

(ALFRED sieht sich um. SARAH hört auf zu singen. Hinter dem Vorhang hört man Wassergeplätscher. Und gleich darauf wieder… ALFRED öffnet den Vorhang. Dahinter sitzt SARAH in einer kunstvoll verzierten Badewanne. Die Situation ähnelt der, in der ALFRED und SARAH sich zum erstenmal begegnen sind.)

Alfred Sarah?

Sarah (beinahe enttäuscht) Ach, du bist es.

Alfred GOTT SEI DANK DU LEBST!
KEINE ANGST, JETZT BIN ICH DA.
DIR WIRD NICHTS GESCHEH’N.
ICH WERDE DICH BEFREI’N.

Sarah HÖFLICH IST DAS NICHT.
SCHLIESSLICH BIN ICH EINE DAME.
MICH ZU ÜBERRASCHEN,
WENN ICH BADE,
IST NICHT FEIN.

Alfred SARAH, SAG MIR, WIE’S DIR GEHT?
HAT ER DICH VERLETZT?
KOMM ICH SCHON ZU SPÄT?

Sarah HEUTE NACHT IST TANZ.

Alfred DU MUSST MIT MIR FLIEH’N.

Sarah RAT, MIT WEM ICH TANZ!

Alfred BLEIB NICHT HIER.

Sarah ICH WILL ES DIR SAGEN.

Alfred BALD WIRD ES DUNKEL.

Sarah MIT DEM HERRN GRAFEN!

Alfred FLIEH, ICH BESCHWOR DICH!

Sarah WIE GEFÄLLT
DIR MEIN KLEID
FÜR DEN BALL?
DER HERR GRAF
SCHENKT MIR
PRÄCHTIGE SACHEN.
ER VERWÖHNT MICH,
WEIL ICH IHM
GEFALL’.
WENN PAPA
KOMMT, WIRD
ER AUGEN MACHEN.

Alfred WIR MÜSSEN FORT!

Sarah WÄRST DU NICHT GERN DABEI?

Alfred DIE ZEIT LÄUFT AB!

Sarah EINEN TANZ HAB ICH FREI.

Alfred ICH BESCHWOR DICH: KOMM MIT!

Sarah FRAG MICH MORGEN NOCHMAL.

Alfred BEGREIFE DOCH, ICH MEINS GUT MIT DIR.

Sarah DER GRAF TANZ HEUTE NACHT NUR MIT MIR.

Alfred WILLST DU DENN NICHT MEHR NACH HAUS?

Sarah DREH DICH JETZT UM, ICH KOMM RAUS.

(ALFRED dreht sich um und geht langsam nach vorne. Der Vorhang geht zu.)

(Lichtwechsel.)

(Verwandlung.)

Szene 7: Bibliothek

(Die Szene zurückverwandelt zur Bibliothek, in der nun allerdings alle Gegenstände spiegelverkehrt stehen.)

Abronsius PLAGIATE, SURROGATE,
FABELN, ENZYKLOPÄDIEN,
KATECHISMEN, REFERATE,
SAGEN, GENEALOGIEN
UND ANNALEN, DATEN, CHRONIKEN,
ELOGEN, ELEGIEN
UND PAMPHLETE, EPEN, KRITIKEN
IN FOLIO, IN QUARTO UND FRAKTUR.

Alfred Professor! Ich habe Sarah gefunden…

Abronsius ROBESPIERRE, HOMER UND SENECA.
DA VINCI UND CERVANTES
UND DIE WUNDERBAREN OPERA
BOCCACCIOS UND DANTES.
UND MARQUIS DE SADE UND DON JUAN.
FRIVOLES UND GALANTES
UND LORD BYRON, GOETHE, ECKERMANN,
GIORDANO BRUNO, LESSING, THOMAS MOORE.

Alfred Aber sie will nicht gerettet werden…

Abronsius MILLIONEN BÜCHER BLIEBEN
VON DEN MENSCHEN, DIE MAL WAREN.
HÄTTEN SIE’S NICHT AUFGESCHRIEBEN,
KÖNNT DER GEIST UNS NICHT BEGLEITEN.
UND VERDAMMT ZU IGNORANTEN
MÜSSTEN WIR DURCH LEBEN SCHREUTEN.
ALLE BÜCHER SIND GARANTEN
FÜR DEN FORTSCHRITT UND DIE MENSCHLICHE KULTUR.

Hast du dir das gemerkt, mein Junge?

(PROFESSOR ABRONSIUS hat sich wieder in das Innere der Bibliothek zurückgezogen. ALFRED nimmt ein beliebiges Buch aus dem Regal.)

Alfred (liest den Titel) »Ratgeber für Verliebte. Wie man ein Herz gewinnt«…

(Aufs Geratewohl schlägt er das Buch auf und liest mit wachsendem Interesse…)

MUSIK: WENN LIEBE IN DIR IST

»WENN LIEBE IN DIR IST,
DANN KLINGT AUS DIR MUSIK.
WENN DEIN MOMENT HIER IST,
DANN SPRICHT FÜR DICH DEIN BLICK.
UND DER MENSCH, DEN DU MAGST,
VERSTEHT, WAS DU SAGST,
UND WÄRST DU AUCH STILL.
DEIN HERZ VERRÄT,
DASS LIEBE IN DIR IST,
DIE NICHT MEHR SCHWEIGEN WILL.«

(gesprochen)

»Manchmal sagt ein Kuss mehr als tausend Worte…«

(Da hört ALFRED eine Stimme, die wie die von SARAH klingt. Er lässt das Buch sinken und lauscht.)

Stimme AH-AH-AH…

Alfred Sarah?

(ALFRED geht mit dem Buch in Hand ab. Die Musik spielt untermalt den weiter. Übergang zu…)

Szene 8: Spiegelbadezimmer

(Der Stimme nach gehend kommt ALFRED in ein Badezimmer, das wie ein Spiegelbild dem ersten Badezimmer gleicht.)

Stimme AH-AH-AH…

(ALFRED ist etwas verwirrt, da er bemerkt, dass der Raum sich verändert hat. Doch dann hört er wie bei seinem ersten Besuch das Geplätscher von wasser hinter dem Vorhang und erneut… ALFRED zieht den Vorhang beiseite. Die Wanne ist leer. Auf dem Rand sitzt HERBERT, der spiele ist die Hand durch’s Wasser gleiten lässt.)

Alfred Oh… Entschuldigung…

(ALFRED will rasch das Badezimmer verlassen.)

Herbert Bleib! Ich möchte mit dir… redden. Vater ist ganz begeistert von dir. Ich finde wir sollten… Freunde werden.

Alfred Aber ich musst doch noch zum Ball…

(Sanft und leise beginnt HERBERT zu singen.)

Herbert DU MUSST ZU MIR NETT SEIN.
ICH WILL DICH VERSTEH’N.
WAS MACHT DICH SO BLASS? BIST DU KRANK?

Alfred MIR GEHT’S GUT. VIELEN DANK.

Herbert ABER NEIN, DU HAST FIEBER. MEIN FREUND!
DU SOLLTEST IM BETT SEIN.
NEIN, WAS MUSS ICH SEH’N?!
DU ZITTERST VOR ANGST, MON CHERIE!

Alfred NEIN, ICH ZITTERE NIE.

Herbert ABER JA, DU BIST ÄNGSTLICH, MEIN FREUND!

Alfred (versucht das Thema zu wechseln) WIE MAN HÖRT,
GIBT’S EINEN BALL IRGENDWO…

Herbert DU
HAST EINEN SÜSSEN POPO!

Alfred EIN BALL!

Herbert UND DEINE AUGEN!

Alfred DIE AUGEN?

Herbert DIE WIMPERN SO ZART
WIE FÄDEN
AUS PUREM GOLD!

(ALFRED hält noch immer das Buch in der Hand.)

JA!
HEUT NACHT IST BALL. ICH LAD’
DICH EIN.
WEIN UND MUSIK
UND KERZENSCHEIN!
DAS WIRD GIGANTISCH
ROMANTISCH!
MIT DIR IM ARM WERDE
ICH IM SIEBTEN HIMMEL SEIN…

(HERBERT zieht ALFRED zu sich ran und tanzt mit ihm einen Walzer. Nun singt HERBERT die Hauptmelodie.)

(immer noch tanzend) ACH, ZEIG MAL,
WAS LIEST DU?

Alfred EIN BUCH…

Herbert …GEDICHTE, SO!
ICH WUSST ES JA, SIEHST DU,
DU BIST VERLIEBT, OH, OH!

(Die zärtliche Melodie des Refrains bekommt unversehens einen aggressiven und drohenden Charakter. Das Tempo wird schneller. ALFRED entdeckt, was der Zuschauer schon länger sieht: dass HERBERT nicht im Spiegel zu sehen ist. ALFRED gerät in Panik.)

DASS ES SO ETWAS GIBT!
AUCH ICH BIN VERLIEBT,
NUN RAT’ MAL, IN WEN…
JA, ICH LIEBE DICH…
WENN
LIEBE IN MIR IST,
DANN KANN ICH NICHT WIEDERSTEH’N.

(HERBERT bekommt endlich ALFRED an der Schulter zu fassen. Er öffnet sein Vampirgebiss, um ALFRED in den Hals zu beissen. ALFRED rettet sich, indem er in letzten Moment HERBERT das Buch zwischen die Zähne stösst…)

MUSIK: WENN LIEBE IN DIR IST (NACHSPIEL)

(Verfolgungs-Thema. ALFRED flüchtet in den Zuschauerraum, während HERBERT versucht, die Zähne aus dem Buch zu siehen. Sich ängstlich nach dem vermeintlichen Verfolger umblickend kommt ALFRED auf die Bühne zurück, wo HERBERT ihn erwartet. Er stürzt sich auf ALFRED.)

Alfred Hilfe! Herr Professor! Hilfe! Hilfe!

(Im letzten Moment kommt PROFESSOR ABRONSIUS hinzu. Er haut mit dem Schirm auf HERBERT ein.)

Abronsius Hah, was muss ich seh’n? Schämt ihr euch denn nicht – alle beide?! Himmelkreuzdonnerwetter noch einmal! Pfui!

(HERBERT ergreift die Flucht. ALFRED steht vom Boden auf.)

Und du überhaupt. Ein Angehender Wissenschaftler! Ich muss mich schon sehr wundern. Hast du ihn provoziert, oder was?

Alfred Provoziert? Es ist ganz von allein über ihn gekommen.

Abronsius Ja, ja! Ach was! Kommt!

Alfred Wohin?

Abronsius Rauf zu den Zinnen!

(PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED gehen ab. Verwandlung.)

Szene 9: Turm / Friedhof

(ALFRED und ABRONSIUS gehen über mehrere Brücken auf den Turm des Schlosses hinauf. Darunter, im inneren Schlosshof, befindet sich ein Friedhof mit schneebestäubten Grabsteinen und Grabplatten.)

Alfred Professor! Professor! Aliboris Theorie ist korrekt. Die über die Spiegelreflektion.

Abronsius Das ist nicht Aliboris Theorie. Die Reflektionstheorie habe ich entwickelt. Alibori hat sie mir gestohlen.

Alfred Als wir beide vor dem Spiegel getanzt habben. Denn habe ich nur mich gesehen. Von ihm… nichts.

Abronsius Ach! Ich wünschte, ich hätte mit ihm getanzt.

Alfred Ich bin müde und mir ist kalt und wir wolten noch nar Sarah suchen.

Abronsius Da ist der Orion! Herrlicher als der bestirnte Himmel über uns ist nur das Universum der Logik in uns.

Alfred Sind wir hier sicher?

Abronsius Todsicher.

(Überraschend erscheint GRAF VON KROLOCK hinter PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED.)

Graf Von Krolock (zu ABRONSIUS) HE, HO, HE, WIRKLICH TREFFEND, PROFESSOR?
NUR EIN BISS, UND ES IST PASSIERT.
ZUVIEL NEUGIER IST TÖDLICH, PROFESSOR.
MAN MUSS WERDEN, WAS MAN STUDIERT!

Abronsius Sie unterschätzen die Wissenschaft, Von Krolock. Ich werde Sie in Alkohol einlegen und meiner Asservatensammlung einverleiben.

Von Krolock Hahaha!

Abronsius Bald werden Sie nur noch in Gruselromanen ihr Unwesen treiben.

(GRAF VON KROLOCK is nicht mehr zu sehen. Seine stimme klingt aus verschiedenen Richtungen.)

Krolocks Stimme WOVOR FLIEHST DU? WAS FÜRCHTEST DU, ALFRED?
WAS DU SUCHST, FINDEST DU NUR HIER.

Abronsius ER BEKÄMPFT SIE.

Krolocks Stimme SIE IRREN, PROFESSOR.
ALFREDS SEELE GEHÖRT LÄNGST MIR.

(Die Brücke, auf der ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS stehen, führt hoch.)

Alfred Allmächtiger!

Abronsius Sehr interessant.

(ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS sind nicht mehr zu sehen.)

MUSIK: EWIGKEIT

(Die musikalische Untermalung geht über in die Einleitung zum Auferstehungstanz. Es wird unheimlich auf dem schlosshof, der in gespenstisches Licht getaucht ist. Einzelne Grabplatte geraten in Bewegung. Die VAMPIRE kriechen aus den Gräbern und schütteln Leben in ihre abgestorbenen Glieder.)

VAMPIRE EWIGKEIT IST
LANGEWEILE AUF DAUER.
EIN TROSTLOSER KREISLAUF
KEIN ANFANG, KEIN SCHLUSS.
DENN STETS WIEDERHOLT
SICH DASSELBE VON VORNE.
KEIN JUBEL, KEIN ENTSETZEN,
NUR DIE ÖDE,
BLÖDE
EWIGKEIT.
VON TORTUR
KEINE SPUR
IMMER NUR
DIESE BESCHISS’NE
EWIGKEIT.

FORT MIT DEM STEIN
ÜBER ABGRUND DES SCHRECKENS.
RAUS AUS DEM GRAUEN
INS GLITZERN DER WELT.
BALD LÄHMT UNSER GIFT
DIE GEHIRNE DER MENSCHEN.
BALD SIND
WIR DIE HERREN
DIESER ERDE.
ES WERDE NACHT.

WEG MIT DEM FELS
VOR DER HÖHLE DER SCHATTEN.
RAUS AUS DEN GRÄBERN
INS LEBEN DER STADT.
HINEIN MIT DER ANGST
IN DIE SEELEN DER MENSCHEN.
BALD STEHN SIE AM ENDE
ALLER ZWEIFEL.
WIR STÜRZEN SIE HINAB
HINAB
HINAB
HINAB
HINAB

MUSIK: EWIGKEIT NACHSPIEL

(Der Tanz klingt aus. Die VAMPIRE verschwinden durch den Zuschauerraum.)

MUSIK: DIE UNSTILLBARE GIER

(GRAF VON KROLOCK erscheint auf dem Friedhof. Er wandert durch die Gräberreihen.)

Graf Von Krolock ENDLICH NACHT!
KEIN STERN ZU SEH’N.
DER MOND VERSTECKT SICH,
DENN IHM GRAUT VOR MIR.
KEIN LICHT IM WELTENMEER.
KEIN FALSCHER HOFFNUNGSSTRAHL.
NUR DIE STILLE
UND IN MIR
DIE SCHATTENBILDER
MEINER QUAL.

DAS KORN WAR GOLDEN
UND DER HIMMEL KLAR.
SECHZEHNHUNDERTSIEBZEHN,
ALS ES SOMMER WAR.
WIR LAGEN IM FLÜSTERNDEN GRAS.
IHRE HAND AUF MEINER HAUT
WAR ZÄRTLICH UND WARM.

SIE AHNTE NICHT,
DASS ICH VERLOREN BIN.
ICH GLAUBTE JA NOCH SELBST DARAN,
DASS ICH GEWINN.
DOCH AN DIESEM TAG
GESCHAH’S ZUM ERSTENMAL.
SIE STARB IN MEINEM ARM.

WIE IMMER WENN ICH NACH
DEM LEBEN GRIFF,
BLIEB NICHTS IN MEINER HAND.
ICH MÖCHTE FLAMME SEIN
UND ASCHE WERDEN
UND HAB NOCH NIE GEBRANNT.

ICH WILL HOCH UND HÖHER STEIGEN,
UND SINKE IMMER TIEFER INS NICHTS.
ICH WILL EIN ENGEL ODER
EIN TEUFEL SEIN,
UND BIN DOCH NICHTS ALS
EINE KREATUR, DIE IMMER
DAS WILL, WAS SIE
NICHT KRIEGT.

GÄB’S NUR EINEN AUGENBLICK DES GLÜCKS FÜR MICH,
NEHM ICH EW’GES LEID IN KAUF.
DOCH ALLE HOFFNUNG IST VERGEBENS
DER HUNGER HÖRT NIE AUF.

DES PASTORS TOCHTER
LIESS MICH EIN BEI NACHT
SIEBZEHNHUNDERTDREISSIG
NACH DER MAIANDACHT
MIT IHREM HERZBLUT
SCHRIEB ICH EIN GEDICHT
AUF IHRE WEISSE HAUT.

UND DES KAISERS PAGE AUS NAPOLEONS TROSS…
ACHTZEHNHUNDERTDREIZEHN
STAND ER VOR DEM SCHLOSS.
DASS SEINE TRAUER MIR
DAS HERZ NICHT BRACH,
KANN ICH MIR NICHT VERZEIH’N.

DOCH IMMER WENN ICH NACH
DEM LEBEN GREIF,
SPÜRE ICH WIE ES ZERBRICHT.
ICH WILL DIE WELT VERSTEH’N
UND ALLES WISSEN
UND KENN MICH SELBER NICHT.

ICH WILL FREI UND FREIER WERDEN,
UND WERDE MEINE KETTEN NICHT LOS.
ICH WILL EIN HEILIGER ODER
VERBRECHER SEIN,
UND BIN DOCH NICHTS ALS
EINE KREATUR,
DIE WILL, WAS SIE NICHT KRIEGT,
UND DIE ZERREISSEN MUSS,
WAS IMMER SIE LIEBT.

JEDER GLAUBT, DASS ALLES EINMAL BESSER WIRD,
D’RUM NIMMT ER DAS LEID IN KAUF.
ICH WILL ENDLICH EINMAL SATT SEIN.
DOCH DER HUNGER HÖRT NIE AUF.

MANCHE GLAUBEN AN DIE MENSCHHEIT,
UND MANCHE AN GELD UND RUHM.
MANCHE GLAUBEN AN
KUNST UND WISSENSCHAFT,
AN LIEBE UND AN HELDENTUM.
VIELE GLAUBEN AN GÖTTER
VERSCHIEDENSTER ART,
AN WUNDER UND ZEICHEN,
AN HIMMEL UND HÖLLE,
AN SÜNDE UND TUGEND
UND AN BIBEL UND BREVIER.

DOCH DIE WAHRE MACHT,
DIE UNS REGIERT,
IST DIE SCHÄNDLICHE, UNENDLICHE,
VERZEHRENDE, ZERSTÖRENDE,
UND EWIG UNSTILLBARE GIER.

(Ins Publikum:)

EUCH STERBLICHEN VON MORGEN
PROPHEZEIH’ ICH HEUT UND HIER:
SOBALD EUER NEUES JAHRTAUSEND BEGINNT,
IST DER EINZIGE GOTT, DEM JEDER DIENT,
DIE UNSTILLBARE GIER.

(GRAF VON KROLOCK geht rasch ab. Verwandlung.)

Szene 10: Ballsaal

(Der noch leere Tanzsaal im gräflichen Schloss strahlt im Glanz zahlreicher Kerzenlüster. PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED haben sich eingeschlichen. Sie hören KOUKOL kommen und verstecken sich hinter einem Vorhang. In einer Art Prozession ziehen die VAMPIRE ein.)

(PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED schlagen zwei VAMPIRE, die an dem Vorhang vorbeigehen, bewusstlos. Und ziehen sie in ihr Versteck.)

(Schliesslich sind alle VAMPIRE versammelt. Die Musik schwillt an. GRAF VON KROLOCK tritt auf. Er kommt die Wendeltreppe herunter und begrüsst seine GÄSTE.)

MUSIK: TANZSAAL

Graf Von Krolock SEID WILLKOMMEN, BRÜDER,
IN DIESEM SAAL!
ALS WIR VERSAMMELT
WAR’N BEIM LETZTEN MAL
WAR UNS’RE
MAHLZEIT EIN BAUER,
AUSGEMERGELT UND BLEICH.
IHR WART BETRÜBT,
ABER ICH SAGTE EUCH:
»IST EIN JAHR MAGER,
WIRD DAS NÄCHSTE JAHR REICH.«

(PROFESSOR ABRONSIUS und ALFRED kommen hinter dem Vorhang hervor. Sie haben die Kleider und Perücken der von ihnen überwältigen VAMPIRE Übergezogen und mischen sich unerkannt unter die überigen VAMPIRE.)

WIR DIE EWIG LEBEN
VERZEHRT DIE SUCHT NACH FRISCHEM BLUT.

Herbert und Graf Von Krolock HABEN WIR JE DAVON GENUG?

Vampire WIR HABEN DAVON NIEMALS JE GENUG.

Graf Von Krolock JEDES OPFER, DAS UNS NÄHRT,
VERMEHRTE AUCH UNS’RE BRUT

Herbert und Graf Von Krolock HABEN WIR JE DAVON GENUG?

Vampire WIR HABEN DAVON NIEMALS JE GENUG.

NICHTS MACHT UNS SATT,
DIE GIER KOMMT NIE ZUR RUH’,
DENN DIE LEERE IN
UNS DRIN WÄCHST JEDEN TAG
DIE ÄNGST VON NÜCHTERN SEIN
VERFOLGT UNS IMMERZU.

Graf Von Krolock DOCH ICH HEISSE EUCH HOFFEN!
WIE VON MIR PROPHEZEIT,
IST EIN GAST EINGETROFFEN,
GESCHMÜCKT UND BEREIT,
SICH DER DUNKELHEIT ZU WEIH’N

EINE SCHÖNHEIT MIT DEN AUGEN DER NACHT
EIN VERWUNSCH’NES STERNENKIND
ZÄRTLICH WIE DER WIND
UND FÜR MICH BESTIMMT
VERZAUBERT UNSER’N MITTERNACHTSBALL.

(GRAF VON KROLOCK präsentiert SARAH in ihrem neuen Ballkleid und den roten Stiefeln. PROFESSOR ABRONSIUS musst ALFRED zurückhalten. Auch die VAMPIRE gehen auf SARAH zu, doch GRAF VON KROLOCK hält sie mit einer herrischen Geste auf.)

DOCH SIE GEHÖRT NUR MIR.
KEINE SORGE! AUCH AN EUCH IST GEDACHT
DENN SEIT GESTERN ABEND SIND
HIER IN MEINEM LABYRINTH
UND FÜR EUCH BESTIMMT
ZWEI STERBLICHE ZUM BLEIBEN VERDAMMT
VERDAMMT.

(ALFRED sieht ängstlich PROFESSOR ABRONSIUS an. Dieser ist unbeeindruckt.)

Vampire GOTT IST TOT. NACH IHM WIRD NICHT MEHR GESUCHT.
WIR SIND ZUM EWIGEN LEBEN VERFLUCHT.
ES ZIEHT UNS
NÄHER ZUR SONNE,
DOCH WIR FÜRCHTEN DAS LICHT.
WIR GLAUBEN NUR LÜGEN,
VERACHTEN VERZICHT.
WAS WIR NICHT HASSEN,
DAS LIEBEN WIR NICHT

(Die VAMPIRE verfolgen geifernd vor Geilheit, wie GRAF VON KROLOCK sich SARAH nähert. Dann ist der Moment gekommen. GRAF VON KROLOCK öffnet den Mund, während SARAH sich weit zurückbeugt. Er beisst in ihren Hals. PROFESSOR ABRONSIUS musst dem entsetzen ALFRED beistehen.)

SIE IST ZUM LEBEN ERWACHT
DIE EWIGKEIT BEGINNT HEUT NACHT.
DIE EWIGKEIT BEGINNT HEUT NACHT

Graf Von Krolock DU HAST DICH GESEHNT DANACH,
DEINE HERZ ZU VERLIER’N.
JETZT VERLIERST DU FAST DEN VERSTAND.

Sarah und Graf Von Krolock TOTALE FINSTERNIS.
EIN MEER VON GEFÜHL UND KEIN LAND.

Sarah EINMAL, DACHTE ICH,
BRICHT LIEBE DEN BANN

Graf Von Krolock JETZT ZERBRICHT
SIE GLEICH DEINE WELT.

Sarah und Graf Von Krolock TOTALE FINSTERNIS,
WIR FALLEN, UND NICHTS WAS UNS HÄLT.

MUSIK: MENUETT

(Angeführt von GRAF VON KROLOCK und SARAH beginnen die VAMPIRE ein Menuett zu tanzen. Auch ALFRED und ABRONSIUS machen mit. Die Wendungen und Partnerwechsel des Tanzes bringen ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS miteinander und mit SARAH zusammen. In diesen Augenblicken verständigen sie sich.)

Alfred (zu SARAH) Sarah! Ich bin’s! Ich werde dich retten!

Abronsius (zu ALFRED) Pst! Er hat sie zwar gebissen, aber sie lebt noch.

Alfred Sie lebt noch!

Abronsius (zu SARAH) Eine ordentliche Bluttransfusion, mein Kind, und zwei, drei Tage Ruhe und du bist wieder Frisch wie der Morgen!

Alfred (zu SARAH) Sarah! Bald sind wir zusammen…

Abronsius (zu ALFRED) Wir nehmen sie in die Mitte, ich zähle bis drei, und dann laufen wir zur Tür!

(Die VAMPIRE tanzen vor dem Spiegel. Als sie bemerken, dass nur PROFESSOR ABRONSIUS, ALFRED und SARAH reflektiert werden, bleiben zie stehen. Die Musik bricht mitten im Takt ab.)

MUSIK: WILDNIS 2

Graf Von Krolock Seid ihr bereit?

Abronsius Eins… Zwei… Drei! … Drei!! … Drei!!!

(So unauffällig wie möglich führen ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS SARAH zur Tür. Dann bän sich die VAMPIRE von ihrer überraschung erholt. GRAF VON KROLOCK ruft…)

Graf Von Krolock Saugt sie aus… Buh!

(Verfolgungs-Thema. ALFRED ergreift einen Kandelaber, um SARAH zu verteidigen. PROFESSOR ABRONSIUS hält den anderen Kandelaber, quer davor, so dass ein Kreuz gebildet wird. Mit Wutgeheul weichen die VAMPIRE zurück. Die VAMPIRE zerreissen zum Teil ihre Ballkleider. ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS nutzen die Verwirrung, um mit SARAH aus dem Saal zu flüchten. PROFESSOR ABRONSIUS, ALFRED und SARAH laufen durch den Zuschauerraum und gehen ab.)

Koukol! Mach das Ding weg!

(KOUKOL löst das Kandelaberkreuz auf.)

Im Namen der Hölle, des Feuers und des Blutes. Hol sie zurück!!

(KOUKOL nimmt die Verfolgung auf. Verwandlung.)

Szene 11: Wildnis

(Auf dem Weg vom Zuschauerraum zurück zur Bühne bahen SARAH, ALFRED und PROFESSOR ABRONSIUS einigen Vorsprung vor ihrem Verfolger KOUKOL gewonnen. Zweimal sehen wie sie so über die Bühne hasten. Beim dritten Mal sind PROFESSOR ABRONSIUS, ALFRED und SARAH zunächst allein auf der Bühne. PROFESSOR ABRONSIUS sieht die glühenden Augen eines Wolfes hinter einen Hügel und weist ALFRED und SARAH an, mit ihm in eine andere Richtung zu flüchten. Kaum sind sie verschwunden, erscheint KOUKOL.)

(Während er sich suchend umblickt, kommen von allen Sieten die Wölfe auf ihn zu. Ein markerschütternder Schrei beendet das Verfolgung-Thema. KOUKOL ist von den Wölfen zerrissen worden. Verwandlung.)

MUSIK: DRAUSSEN IST FREIHEIT (Reprise)

(Die Musik wird lyrisch. Weit weg vom Ort, an dem KOUKOL sein tragisches Ende gefunden hat, wandern die glücklich Entkommenen durch die jetzt sternenhelle Nacht. PROFESSOR ABRONSIUS, mit seinem Notizbuch beschäftigt, geht dem Liebespaar voraus und nimmt schliesslich vorne an der Rampe Platz, um sich ganz seinen Notizen zu widmen.)

(Hinter him bleiben ALFRED und SARAH in der Bühnenmitten stehen: Zwei verliebte im Zauber der Mondbeschienenen Winterlandschaft. Ein Hauch Puccini.)

Alfred SARAH, DU BIST SCHWACH
RUH’ DICH AUS IN MEINEM ARM.
JETZT WIRD ALLES GUT
WIR SIND IN SICHERHEIT.

ICH BLEIB FÜR DICH WACH,
UND BESCHÜTZE DICH VOR GESPENSTERN.
UNSER ALPTRAUM IST VORBEI
DER TAG IST NICHT MEHR WEIT.

Alfred und Sarah ALLES WIRD
NUN ANDERS SEIN
NIE MEHR EINGESPERRT,
NIEMALS MEHR ALLEIN

Sarah GEH’N WOHIN ICH MAG

Alfred ZEIGEN WAS ICH FÜHL

Sarah BADEN JEDEN TAG

Alfred ANGST UND KÄLTE WERDEN VORBEI SEIN

Alfred und Sarah JENSEITS DER WÄLDER
JENSEITS DER BERGE
ALLES WIRD NEU SEIN.
DRAUSSEN IST FREIHEIT,
DORT WO DER HORI-
ZONT BEGINNT,
GIBT ES EIN LAND
IN DEM ALLE
WUNDER MÖGLICH SIND.

Alfred KEINE MAUER, DIE UNS JE TRENNT
KEINE GRENZE DIE WIR NICHT ÜBERWINDEN.
BLEIB BEI MIR,
DENN MIT DIR

Alfred und Sarah KANN ICH BIS ZU DEN
STERNEN GEH’N,
BIS IN DIE
ZUKUNFT SEH’N…

(ALFRED nimmt SARAH in den Arm. Sie blickt über seine Schulter ins Publikum. Sie öffnet den Mund und wir sehen, dass ihr Vampirezähne gewachsen sind.)

DRAUSSEN IST FREIHEIT,
NUN GIBT ES NICHTS
MEHR WAS UNS TRENNT.
DRAUSSEN IST FREI…

(Die Musik schwillt an. SARAH beisst ALFRED in den Hals. Auf ALFRED Hand fällt ein Tropfen Blut.)

Alfred Was ist das?

Sarah Blut, Liebling. Leck es ab!

(Er tut dies.)

Alfred Gar nicht schlecht…

(ALFRED und SARAH versinken in einer tiefen Umarmung. Das Licht lenkt unsere Aufmerksamheit auf PROFESSOR ABRONSIUS, der die Arbeit an seinen Notizen vorübergehend unterbricht und fröhlich ins Publikum blickt.)

MUSIK: FINALE 2

Abronsius WIR SIND ENTKOMMEN,
MEIN VERSTAND HAT TRIUMPHIERT
UND DIE MENSCHHEIT
VORM VERDERBEN BEWAHRT.
DIE KÖNIGSBERGER WERDEN
GELB SEIN VOR NEID.
WENN MAN MIR NUN
DEN NOBELPREIS VERLEIHT.

(Er schreibt einen weiteren Satz in sein Notizbuch.)

DURCH MEINE FORSCHUNG
HAB ICH DEN BEWEIS ERBRACHT:
ES GIBT LEBENDTOTE
HIER JEDENFALLS.
SIE VERLASSEN
DIE SÄRGE BEI NACHT
UND SAUGEN LEBENDEN
DAS BLUT AUS DEM HALS.

ZUM GLÜCK KANN UNS’RE VERNUNFT
SIE ÜBERWINDEN
WIR SIND SICHER DANK GEIST
UND WISSENSCHAFT.
UNS’RE ZIELE SIND KLAR,
UNS’RE METHODEN BEWÄHRT.
WIR SIND PRAKTISCH UND AUFGEKLÄRT.
DER FORTSCHRITT IST
UNAUFHALTSAM.
DIE WELT IST NICHT MEHR, WAS SIE WAR.

(PROFESSOR ABRONSIUS steckt sein Notizbuch ein, seht auf und wandert weiter. ALFRED und SARAH folgen. Die drei gehen durch’s Publikum ab, während die VAMPIRE auf die Bühne kommen.)

Alfred? Alfred? He! Ho! Alfred! Ich muss ihn finden, sonst erfriert er! Alfred! He! Ho! Alfred…

Nachspiel Hier und Jetzt

(ALFRED, SARAH und PROFESSOR ABRONSIUS sind verschwunden. Auf der Bühne und im Publikum ergreifen die VAMPIRE die Macht.)

Zwei Vampire NIMM WAS DU KRIEGST,
DENN SONST WIRD DIR GENOMMEN.
SEI EIN SCHWEIN,
ODER MAN MACHT DICH ZUR SAU.

RAFF DIR GELD
UND KAUF DIR DIE WELT!
NUR NICHT ZIMPERLICH!
DIE SITTEN SIND RAUH.

ZEIG DEINE FAUST.
DENN SONST WIRST DU GESCHLAGEN.
DRÄNG DICH VOR,
ODER DU WIRST ÜBERSEH’N.

WILLST DU BESTIMMEN,
STATT AND’RE ZU FRAGEN,
MUSST DU LERNEN
ÜBER LEICHEN ZU GEH’N.

Alle NICHTS WIE RAUS AUS DER NACHT IN DIE SONNE,
WEIL UNS ENDLICH KEINE SCHRANKE MEHR HÄLT.
UNS’RE ZIELE SIND KLAR,
UNS’RE METHODEN BEWÄHRT.
WIR SIND TOT, DOCH WIR LEBEN,
SOLANG IHR UNS NÄHRT!

WIR SIND IM KOMMEN.
UND BALD GEHÖRT UNS DIE WELT.
UND BALD GEHÖRT UNS DIE WELT.
WIR TAUCHEN
AUS DER NACHT.

PASS AUF!
JETZT WOLL’N WIR GLITZER UND GLANZ.
PASS AUF!
JETZT WOLL’N WIR ALLES UND GANZ.
PASS AUF!
JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!

STECKT DEN HIMMEL IN BRAND!
UND STREUT LUZIFER ROSEN!
DIE WELT GEHÖRT DEN LÜGNERN
UND DEN RÜCKSICHTSLOSEN.

REICHT DEN MÖRDERN DIE HAND!
KRIECHT IM STAUB VOR DEN GROSSEN.
DIE WELT GEHÖRT DEN KRIECHERN
UND DEN GNADENLOSEN.

Gruppe 3 (gleichzeitig) STECKT DEN HIMMEL IN BRAND!
* UND STREUT LUZIFER ROSEN!
DIE WELT GEHÖRT DEN LÜGNERN
UND DEN RÜCKSICHTSLOSEN.

REICHT DEN MÖRDERN DIE HAND!
KRIECHT IM STAUB VOR DEN GROSSEN.
DIE WELT GEHÖRT DEN KRIECHERN
UND DEN GNADENLOSEN.

STECKT DEN HIMMEL IN BRAND!
UND STREUT LUZIFER ROSEN!
DIE WELT GEHÖRT DEN LÜGNERN
UND DEN RÜCKSICHTSLOSEN.

REICHT DEN MÖRDERN DIE HAND!
KRIECHT IM STAUB VOR DEN GROSSEN.
DIE WELT GEHÖRT DEN KRIECHERN
UND DEN GNADENLOSEN.

Gruppe 2 (gleichzeitig, von *) JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!

Alle WIR WOLL’N TUN, WAS UNS SPASS MACHT,
UND SO SEIN, WIE WIR SIND.
WIR VERSTECKEN UNS NICHT MEHR.
DER TANZ DER WILDEN
HERZEN BEGINNT.

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!
JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!

(Die VAMPIRE in Zuschauerraum tanzen zur Bühne zurück. TANZSEQUENZ.)

Alle WIR WOLL’N TUN, WAS UNS SPASS MACHT,
UND SO SEIN, WIE WIR SIND.
WIR VERSTECKEN UNS NICHT MEHR.
DER TANZ DER WILDEN
HERZEN BEGINNT.

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!
JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND GANZ!
JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ!
WIR WOLLEN ALLES UND…

Alle WIR TRINKEN BLUT, WIR HABEN NULL MORAL.
WAS AUS DIESER WELT WIRD,
IST UNS SCHEISSEGAL!
WIR TRINKEN BLUT, WIR HABEN NULL MORAL.
WAS AUS DIESER WELT WIRD,
IST UNS SCHEISSEGAL!

WE DRINK YOUR BLOOD AND THEN WE EAT YOUR SOUL.
NOTHING’S GONNA STOP US,
LET THE BAD TIMES ROLL.
WE DRINK YOUR BLOOD AND THEN WE EAT YOUR SOUL.
NOTHING’S GONNA STOP US,
LET THE BAD TIMES ROLL.

JETZT LADEN DIE VAMPIRE ZUM TANZ…
TANZ!
TANZ!

(Black-out.)

Ende des zweiter Aktes